Steuern steuern Soziales

Susanne Kapfinger, Ökonomin und Leiterin Redaktion AWP Soziale Sicherheit

Das Ziel der Sozialpolitik ist, die Lebenslage schwacher Bevölkerungsgruppen zu stärken, um den sozialen Zusammenhalt zu festigen. Als Mittel hat sich das soziale Sicherheitsnetz mit den Sozialversicherungen gut bewährt. Eine Studie der Universität Reading wirft jedoch ein neues Licht auf die Möglichkeiten des sozialen Ausgleichs. Die Forscherinnen und Forscher haben die Verteilungseffekte der Fiskalpolitik unter die Lupe genommen, insbesondere die Ausgaben für Gesundheit, Bildung und Soziales und kommen zu einem erstaunlichen Ergebnis.

 

Bildung hat starke Wirkung

Um Einkommensungleichheiten zu glätten, werden üblicherweise Sozialausgaben erhöht. Das ist das naheliegendste Vorgehen. Es gibt aber noch eine andere Möglichkeit, die ebenso wirksam ist: Höhere Bildungsausgaben. Der Verteilungseffekt ist gemäss der Studie «Fiscal Policy and inequality: redistributive effects of tax and spending shocks» mindestens so stark. 

 

In der makroökonomischen Untersuchung wurde die Frage gestellt, was die Fiskalpolitik tun kann, um die Einkommensungleichheit zu verringern. Das Resultat: Erhöhungen der Bildungsausgaben scheinen mittel- bis langfristig am wirksamsten zu sein, um bessere Verteilungsergebnisse zu erzielen. Dagegen weisen höhere Ausgaben im Sozialschutz oft kurzlebige ungleichheitsreduzierende Effekte auf. Die Verteilungseffekte verändern sich jedoch je nach dem ob es um ein reiches oder armes Land geht. In Ländern mit hohem Einkommen haben Ausgabenschocks beim Sozialschutz keine spürbaren Auswirkungen auf die Verringerung der Ungleichheit, während sie in Ländern mit mittlerem Einkommen einiges bewirken. Dazu wurden Daten aus 43 Ländern mit hohem Einkommen wie der Schweiz oder Deutschland und 56 Ländern mit mittlerem Einkommen wie Bulgarien oder Albanien miteinander verglichen. 

 

Mehr Einkommen

Höhere Bildungsausgaben sorgen nicht nur für eine gleichmässigere Einkommensverteilung, sondern bewirken auch deren Anstieg - und zwar über die gesamte Einkommensverteilung hinweg. Bessere Bildung erhöht vor allem die Einkommen der Einkommensschwächsten. Das sind gute Argumente, die für die öffentliche Bereitstellung eines Bildungsangebots sprechen. Denn Bildungsausgaben lohnen sich und führen zu sozialer Gerechtigkeit. Bildungsausgaben sollten deshalb in der Fiskalpolitik stärker gewichtet werden.

 

Gesundheitsausgaben nivellieren

Die Forscher stellten fest, dass auch höhere Gesundheitsausgaben ausgleichend wirken, wenn auch weniger stark als Bildungsausgaben. Das konnte aber nur in Ländern mit hohem Einkommen beobachtet werden. Die Verteilungswirkung hängt von den strukturellen Aspekten des Gesundheitswesens ab. 

 

Sicher spielt auch die Art der Ausgaben eine Rolle. In der Schweiz wird beispielsweise über Prämienverbilligungen Umverteilung erzielt. Die Kantone sind gesetzlich verpflichtet, Versicherten in bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen Prämienverbilligungen zu gewähren. In den vergangenen Jahren haben aber manche Kantone ihren Beitrag gesenkt. Im Jahr 2022 wurden rund 5,4 Milliarden Franken an öffentlichen Geldern für Prämienverbilligungen aufgewendet. Davon hat der Bund mehr als die Hälfte bezahlt. 

 

Fiskalische Umverteilung

Die Studie zeigt, dass die Fiskalpolitik ein wirksames Instrument sein kann, um die Umverteilungsziele der Gesellschaft zu erreichen. Soziale Gerechtigkeit braucht nicht nur die Sozialpolitik, aber auch Bildungspolitik und die Gesundheitspolitik. Es sollte über den Tellerrand hinaus geschaut werden.