Mehr Konsolidierung – mehr Regulierung

Susanne Kapfinger, Ökonomin und Leiterin Redaktion AWP Soziale Sicherheit

Immer mehr Arbeitgeber geben die Führung einer eigenen Vorsorgeeinrichtung auf: Kleine autonome Kassen, bei denen nur ein einzelner Arbeitgeber angeschlossen ist, werden immer seltener. Seit 1985, als das Bundesgesetz über die berufliche Vorsorge (BVG) in Kraft gesetzt wurde, ging die Anzahl der Vorsorgeeinrichtungen um 90 Prozent zurück. Nutzniesser der Konsolidierung in der Pensionskassenlandschaft sind Sammel- und Gemeinschaftseinrichtungen (SGE). Sie haben ihre Bilanzsumme versechsfacht und den Marktanteil verdoppelt. 

 

Starke Rolle der Broker

Aktuell gibt es gemäss Pensionskassenstatistik 234 SGE und noch 1 155 übrige Pensionskassen. Dabei versichern SGE mehr als 73 Prozent aller Destinatäre; einer SGE haben sich 98 Prozent aller Arbeitgeber angeschlossen. Dabei spielen Broker oft eine wichtige Rolle. Eine Studie des Instituts für Finanzdienstleistungen Zug (IFZ) zeigt: Die Hälfte aller Neuanschlüsse der SGE wurde vermittelt. 37 Prozent der SGE setzen beim Neugeschäft ausschliesslich auf Vermittler. Rund 20 Prozent leisten sich hingegen eine eigene Vertriebsorganisation und rund ein Drittel nutzt beide Wege. 

 

Als Differenzierungsmerkmal im Wettbewerb schreiben SGE Online-Schnittstellen für Arbeitgeber grosse Bedeutung zu. «Das erstaunt, da man üblicherweise versucht, sich über Leistungen im Kerngeschäft zu differenzieren – beispielsweise durch möglichst ertragsreiche Anlagen oder stabile Renten», sagt Studienautor Florian Schreiber.

 

Grösse braucht mehr Regulierung

Das Neugeschäft gehört laut Umfrage aber ohnehin nicht zu den grössten Sorgen der SGE. «Auch die Suche nach risikoarmen Investments beschäftigt die SGE weniger, als wir es angesichts der schwierigen Situation an den Finanzmärkten erwartet hätten», so Florian Schreiber. Genannt wurden hingegen die stetig zunehmende Regulierung, die schwierige Suche nach qualifizierten Fachleuten und die korrekte Umsetzung der Datenschutzbestimmungen in Bezug auf Cyber-Security.

 

Hausgemachtes Problem

Einer der Gründe, warum die Regulierung zunimmt, sind die stark wachsenden SGE. Das Problem ist also hausgemacht – salopp ausgedrückt. Darin sind sich die Fachleute einig: SGE haben eine Grösse erreicht, die eine strengere Aufsicht rechtfertigt. So auch das Fazit der Podiumsdiskussion «Stiftungssterben und Bürokratie» am Herbstanlass des Pensionskassendienstleisters Assurinvest. 

 

Wachstum erzeugt Vorteile

Doch Wachstum ist kein Selbstzweck.  SGE müssen sich im Wettbewerb attraktiv positionieren können. Das bedingt Skaleneffekte und Synergien – und diese werden erst durch Grösse möglich, also durch Wachstum. Die kritische Grösse für Synergien und Skaleneffekte liegt bei rund 10 Milliarden Franken Anlagevermögen. Diese Schwelle erreichen gemäss Pensionskassenstatistik nur 24 von 1389 Vorsorgeeinrichtungen. 

 

Für die meisten mittelgrossen SGE hat Wachstum laut IFZ-Umfrage deshalb eine mittlere bis hohe Bedeutung. Der Konkurrenzdruck könnte SGE in Versuchung führen, Kompromisse bei verschiedenen Leistungen einzugehen. Damit Wachstum nicht zulasten der finanziellen Stabilität erfolgt, ist Regulierung nötig. 

 

Kleinere Kassen leiden

Die Leidtragenden dabei sind kleine autonome Kassen. «Wir wissen, dass viele firmeneigene Pensionskassen nicht zuletzt wegen der zunehmenden Regulierung ihre Selbstständigkeit aufgeben müssen», bestätigt Schreiber. Die hierfür notwendigen Ressourcen liessen sich bei diesen Einrichtungen auf zu wenige Versicherte umlegen, sodass keine Skaleneffekte realisiert werden können. 

 

Kleine SGE mit einer Bilanzsumme von weniger als 1 Milliarde bewerten die Regulierung laut IFZ-Studie denn auch als drängendstes Problem. Mittlere SGE (1 bis 5 Milliarden) und grosse (über 6 Milliarden) betrachten die Regulierung hingegen nicht als grösste Herausforderung. Für mittlere SGE ist es der Fachkräftemangel, für die grossen steht die künftige Entwicklung der Finanzmärkte zuoberst. 

 

Milizsystem stösst an seine Grenzen

Hinsichtlich des dringend benötigten Fachpersonals merken die Co-Autoren der Studie Yvonne Seiler Zimmermann und Karsten Döhnert an: Mit der Komplexität einer Aufgabe nimmt deren Eignung für ein Nebenamt rapide ab. 

 

Das Milizsystem in der beruflichen Vorsorge der Schweiz lässt sich nicht beliebig professionalisieren. Die befragten SGE stellen bei ihren Anschlüssen denn auch fest: Diese haben oft grosse Mühe, qualifizierte Arbeitnehmervertreter für den Stiftungsrat zu finden. Auch das ist eine Konsequenz des Wachstums.