Jetzt Anlagestrategie prüfen

 

von Tom Osterwalder, CEO der Zurich Invest AG

 

Die Zinswende ist eine gute Nachricht für Vorsorgewerke. Die Chancen steigen, dass Altersguthaben wieder schneller wachsen. Stiftungen dürfen sich aber nicht zurücklehnen. Die geopolitischen Spannungen und gefallene Anleger-Weisheiten führen dazu, dass kluges Investieren anspruchsvoll bleibt.  

In den letzten Jahren waren die Rahmenbedingungen für Pensionskassen äusserst anspruchsvoll. Negative Zinsen, die zuvor als unwahrscheinlich galten, wurden zur Realität und prägten über einen längeren Zeitraum wichtige Währungen. Die erwartete Inflation verzögerte sich zwar, traf dann jedoch mit erheblicher Kraft ein. Zahlreiche Notenbanken reagierten mit einer raschen Erhöhung der Zinssätze. Dies führte dazu, dass die Annahme, eine Mischung aus Anleihen und Aktien im Portfolio würde dazu beitragen, Risiken zu mildern, zumindest vorübergehend in Frage gestellt wurde. Mit dem Zinsanstieg verringerten sich zeitweise die Werte in beiden Anlageklassen gleichzeitig. 

Ungewisse Renditeerwartungen

Die instabile Sicherheitslage und die zunehmenden geopolitischen Spannungen seit dem Ausbruch des Ukraine-Krieges, die den freien Handel beeinträchtigen, tragen zusätzlich zur Komplexität bei. Sowohl Zurich als auch das World Economic Forum (WEF) bewerten die weltweite Lage im Global Risk Report 2024 sehr pessimistisch. Ob dies Auswirkungen auf die Renditen haben wird, ist unklar, da andere Faktoren, wie beispielsweise Effizienzsteigerungen durch künstliche Intelligenz, möglicherweise positive Auswirkungen auf die Wirtschaft haben werden.

Zinsen, die über oder nahe dem obligatorischen Mindestzinssatz in der beruflichen Vorsorge liegen, sind grundsätzlich eine gute Nachricht. Sie bieten mehr Anlagemöglichkeiten bei vergleichsweise geringeren Risiken. Pensionskassen werden unterschiedliche Schlussfolgerungen daraus ziehen. Unwahrscheinlich ist, dass die Umwandlungssätze wieder steigen, da sie aufgrund der höheren Lebenserwartung gesenkt wurden. An der steigenden Lebenserwartung hat sich nichts geändert. 

Positive Verzinsung

Eine gute Verzinsung der Altersguthaben kann jedoch zu effektiv höheren Renten führen, auch ohne Anpassungen am Umwandlungssatz: Wenn die Altersguthaben aufgrund höherer Zinsen stärker steigen, resultieren automatisch höhere Renten bei der Umwandlung. Es ist auch denkbar, dass Pensionskassen in guten Zinsjahren denjenigen Pensionären, die erst kürzlich in den Ruhestand traten und deren Rente mit einem niedrigeren Umwandlungssatz berechnet wurde als bei älteren Kolleginnen und Kollegen, einen zusätzlichen Betrag gewähren. Erste Kassen haben dies bereits getan. Alles in allem gilt aber: Für die langfristige Kaufkraft wird die Realverzinsung entscheidend sein. Also der Nominalzins minus die Inflation. Bleibt die Teuerung länger hoch, kann dies den Effekt höherer Zinsen neutralisieren.  

Trotz der positiven Zinsen bleibt die Lage herausfordernd. Pensionskassen sollten ihre Portfolios breit diversifizieren und sich nicht zu stark auf Anleihen konzentrieren. Eine gesunde Mischung aus Anleihen und Aktien bietet langfristig Diversifikationsvorteile. Weitere Anlageklassen wie Privatmarktanlagen können als Stabilisatoren dienen und ermöglichen einen breiteren Zugang zu Risikoprämien, was wiederum zu mehr Stabilität und höheren Renditeerwartungen führen sollte. Solche Anlagen bieten auch oft einen besseren Schutz gegen Inflation. Infrastrukturen oder Immobilen beispielsweise verlieren nicht an Wert, da ihr Preis langfristig parallel zur Teuerung steigt. 

Risikobudget prüfen

Ich empfehle Vorsorgestiftungen aufgrund der neuen Ausgangslage mit positiven Zinsen eine Neubeurteilung der Anlagestrategie vorzunehmen. Während der Tiefzinsphase haben viele ihr Risikobudget erhöht, was sich unter anderem in zusätzlichen Risiken im Obligationenportfolio zeigt. Bei vielen Kassen dürfte hier Handlungsbedarf bestehen. Eine gründliche Analyse der Strategie ist daher sinnvoll.