Infrastruktur – Ein Fels in der Brandung?

Arno Grüter, GL-Mitglied, ECOFIN Investment Consulting AG

von Arno Grüter, GL-Mitglied, ECOFIN Investment Consulting AG

Die Brandung

Das anlagepolitische Umfeld hat sich in den letzten zwei Jahren markant gewandelt. Die Rückkehr der Inflation in die ökonomische Realität zwang die Notenbanken dazu, aktiv zu werden und ihren Kurs zu korrigieren. Entsprechend wurden die Leitzinsen ausserordentlich schnell und stark angehoben und die Bilanzen reduziert. Höhere Inflation und Zinsen werden früher oder später Auswirkungen auf die globale Nachfrage und Konjunktur haben. 

Nicht nur die langjährige geldpolitische Periode der Moderation fand 2022 ein vorläufiges Ende. Auch geopolitisch ist global und insbesondere für  Europa mit dem «Kipp-Jahr 2022» eine 30-jährige Phase der relativen Ruhe zu Ende gegangen. Die Finanzmärkte und somit auch die Portfolios von institutionellen und privaten Investoren spüren den höheren Wellengang, der hier bildlich als «Brandung» beschrieben wird. In Anbetracht dieser Entwicklungen stellt sich die Frage: Sind Investitionen in essentielle Infrastruktur ein potenzieller sprichwörtlicher «Fels in dieser Brandung» aus Unsicherheit, Risiken und Volatilität?

Um dieser Fragen auf den Grund zu gehen, legen wir dar, was die Renditetreiber von Infrastrukturanlagen sind. Anschliessend analysieren wir, wie hoch die Sensitivität der Renditetreiber von Infrastrukturanlagen gegenüber den verschiedenen Einflussfaktoren ist, die sich aus den verschiedenen makroökonomischen Szenarien ergeben. 

Der Fels?

Die Rendite von Infrastrukturanlagen setzt sich aus einer Bewertungs- (Wertsteigerung) und einer Cash Flow-Komponente («Cash Yield») zusammen. Je konservativer die Anlage ist, desto grösser ist der Anteil des Cash Yields an der Gesamtperformance und desto höher kann die Zinssensitivität auch sein. Entsprechend ist bei opportunistischen Investments die Wertsteigerungs-Komponente dominierend. Die Grafik zeigt die verschiedenen Anlagestile von Infrastruktur-Fonds und ihre idealtypische Renditestruktur. 

Die Vielfalt bei Infrastrukturanlagen ist gross und Investoren bieten sich zahlreiche Möglichkeiten für eine Partizipation. Wie auch in anderen Anlageklassen kann man sich am Eigen- oder am Fremdkapital von Projekten beteiligen. Innerhalb der Finanzierungstruktur kann sich der Anleger bewusst positionieren und beispielsweise in das risikoreichere Eigenkapital investieren. Auch auf den Ebenen Umsetzungsform und -struktur, Liquidität und Anlagehorizont, Sektoren, Regionen, Nachhaltigkeit und dem Reifegrad und Risiko der Infrastrukturanlagen und -projekte lassen sich individuelle Präferenzen umsetzen. Diese Vielfalt bringt es mit sich, dass es nicht immer einfach ist, die Rendite von Infrastrukturanlagen zu beurteilen. Schauen wir uns die Sensitivitäten etwas detaillierter an.

Zinsen

Theorie und Praxis sagen, dass höhere Zinsen grundsätzlich schlecht sind für alle Assets, die Erträge in der Zukunft generieren, weil der Abzinsungsfaktor (Diskontfaktor) steigt und der heutige Gegenwert der zukünftigen Cash Flows geringer ist. Eine Studie des australischen Infrastruktur-Asset Management-Pioniers Macquarie Asset Management (MAM) bestätigt diese These. In der Studie1 vom Juni 2023 wurde errechnet, dass ein statistisch signifikanter, negativer Zusammenhang zwischen dem Zinsniveau und der Bewertung von Infrastrukturanlagen besteht. Aufgrund der sehr bereiten Datenbasis kann die Studie als repräsentativ und ausgewogen bezeichnet werden.

Inflation

Einen positiven Zusammenhang hingegen fand die Studie von Macquarie zwischen der Inflation und der Bewertung von Infrastrukturanlagen. Im Infrastruktur-Bereich sind Preise häufig an die Inflation gebunden und Vermögenswerte, die selbst potenzielle Inflationtreiber sind (z.B. im Energiebereich), können sogar direkt davon profitieren.

Die oftmals regulierten Preise oder langen Vertragsbindungen führen zu einer hohen Preisstabilität. Weiter ist das Fremdkapital von Infrastrukturfirmen typischerweise langfristig entweder mit festem Zinssatz oder «floating rate» mit langfristigen Zinsabsicherungen finanziert. Die Höhe des Fremdkapitals und die maximale Zinsbelastung sind dabei oft direkt an die Cash-Flows der Assets gebunden, was erklärt, warum Inflation generell positiv für die Anlageklasse Infrastruktur ist. 

Konjunktur

Die Konjunktursensitivität von Infrastrukturanlagen ist vergleichsweise tief. Die Macquarie-Studie kam zum Schluss, dass zwischen der konjunkturellen Entwicklung und dem Wert von Infrastruktur kein signifikanter Zusammenhang besteht. Dies ist intuitiv nicht auf den ersten Blick klar, würde man doch davon ausgehen, dass eine gedämpfte wirtschaftliche Aktivität auch den «Konsum» von Infrastruktur reduzieren würde. Wirkliche Infrastrukturanbieter per Definition produzieren essenzielle Güter oder Dienstleistungen des täglichen Bedarfs wie Strom und Wasser oder stellen Netzwerke (von Glasfaser oder Mobilfunk bis Gasleitungen) oder Transportmittel zur Verfügung. Der Grundbedarf der Bevölkerung muss dabei unabhängig von der konjunkturellen Lage immer gedeckt werden. Eine gute konjunkturelle Lage kann je nach Asset und Preisstruktur zu einer höheren Nachfrage und potenziellen Wertgewinnen führen.

Marktstruktur

Schliesslich hat die Marktstruktur einen Einfluss auf die Transaktionspreise. Die Schwankungen sowohl der Bewertungen als auch der Cash Flows sind bei Infrastruktur-Anlagen tiefer, als bei anderen Anlageklassen. Dies ergibt sich aus der Natur der Anlagen. 

Infrastrukturen sind sehr kapitalintensiv und die Mindestanlagesummen sind bisweilen relativ hoch. Dadurch verengt sich der Investorenkreis auf grosse, professionelle Institutionen mit einem langen Anlagehorizont. Die Assets werden typischerweise über mehrere Jahre (geschlossene Fonds mit Core Plus und Value-Add Strategien) bis langfristig gehalten (Evergreen Fonds mit Core und Core Plus-Assets). Die Preis-Volatilität wird vor allem von den modelbasierten Bewertungen tief gehalten, während vergleichbare Transaktionen nur teilweise in diese Bewertungen einfliessen. Es ist davon auszugehen, dass der Markt für Infrastruktur in Zeiten von «Stress» temporär relativ illiquide werden würde, da sich Käufer und Verkäufer nicht auf einen Preis einigen können. 

Darum prüfe

Summa summarum können der Anlageklasse Infrastruktur durchaus auch weiterhin «felsenartige», das Portfolio stabilisierenden Eigenschaften zugesprochen werden. Die Schweizer Anleger müssen sich bewusst sein, dass nach wie vor die meisten Infrastruktur-Investments im Ausland getätigt werden. Es existiert global ein grosser Nachholbedarf an Erneuerungs-Investitionen in verschiedenste Infrastrukturen und gleichzeitig ein riesiger Bedarf rund um Dekarbonisierung und Nachhaltigkeit von Infrastruktur und Wirtschaft. Realwirtschaftliche oder geopolitische Verwerfungen werden aber auch an der Anlageklasse Infrastruktur nicht spurlos vorüber gehen. Die geografische und sektorielle Diversifikation auch innerhalb der Anlageklasse Infrastruktur ist deshalb ein Gebot der Stunde für verantwortungsbewusste Anleger. 

Infrastruktur ist eine aktive Anlagelageklasse analog zu direkten Immobilien. Ein Investor muss dabei aktive Entscheidungen treffen, um Anlagen auszuwählen, die das gewünschte Risiko-Rendite-Profil aufweisen. Da die konkreten Auswirkungen der «Brandung» je nach Umsetzungsform variieren können, empfiehlt sich eine vertiefte Beschäftigung mit der Anlageklasse und ein sorgfältiger «Bottom up»-Ansatz bei der Selektion der Anlagen.

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1  Macquarie Asset Management, «Pathways – Private Infrastructure valuations: Relative value, macroeconomic drivers and implications for investors», Juni 2023