Renten finanzieren via Startups

Susanne Kapfinger, Chefredaktorin AWP Soziale Sicherheit

Der starke Rückgang der Inflation weckt Hoffnungen auf Leitzinssenkungen. Die Akteure am Kapitalmarkt atmen bereits auf, denn sinkende Inflationsraten und niedrigere Zinsen gelten als Garant für höheres Wirtschaftswachstum. Beides beflügelt das Fusions- und Akquisitionsgeschäft und belebt die privaten Märkte – zu deren Hauptakteure KMU und Startups zählen. 

Dazu die Zahlen: In der Eurozone fiel die Inflation mit 2,9 Prozent auf den niedrigsten Stand seit mehr als zwei Jahren. Vor einem Jahr lag die Inflationsrate noch bei 10,6 Prozent. Das Seco prognostiziert für das Jahr 2023 eine Inflationsrate von 2,2 Prozent in der Schweiz. Die restriktive Geldpolitik zeigt Wirkung. Während einige Experten in den nächsten zwölf Monaten bereits Leitzinssenkungen erwarten, betonen die Zentralbanken auf beiden Seiten des Atlantiks indes: Es sei verfrüht, darüber nachzudenken.  

Unterschiedliche Zyklen

Gleichzeitig zeigen die Zahlen, dass sich die Rahmenbedingungen für Risikokapital (Finanzierung von Startups) und Private Equity verbessert haben. Nachdem eine Rekordinflation, Zinserhöhungen und der Ukraine-Krieg das Geschäft stark bremsten, könnte der Aufschwung folgen. Denn ähnlich wie die öffentlichen Märkte, sind auch die Privatmärkte geprägt von sich abwechselnden Zyklen. Die Privatmarktzyklen stimmen nicht immer mit den Zyklen der öffentlichen Märkte überein. Sie können sehr unterschiedlich sein, je nachdem, in welchen Bereich der Privatmärkte investiert wird. Deshalb macht auch die Diversifikation in Privatmarktanlagen Sinn. Grosse Pensionskassen haben das bereits erkannt. Die Sammelstiftungen Copré und Abendrot halten relativ hohe Anteile in Privatmärkten respektive Alternativen Anlagen mit 19 und 17 Prozent. Immer mehr Kassen folgen ihrem Beispiel. Drei Faktoren begünstigen diesen Trend: der erleichterte Zugang zu Privatmärkten, regulatorische Vereinfachungen und eine Dekade des Aufschwungs. 

Langfristig top

In der Ära des Aufschwungs übertrafen die Renditen der Privatmärkte jene der öffentlichen Märkte um ein Vielfaches. Der  Verein der Schweizer Privatmarkt-Investoren, Seca, gibt im Bericht «Performance of European Private Equity» folgende Renditen an: Buyout-Fonds erwirtschaften seit ihrer Auflegung im Schnitt eine Netto-Jahresrendite von 15 Prozent, ebenso Wachstumsfonds und bei Risikofonds sind es 12 Prozent. 

In Phasen des Abschwungs wird zwar weniger gedealt – Gewinne werden nicht realisiert. Der Wertschöpfungsprozess läuft trotzdem weiter. Private-Equity-Firmen verlängern während dieser Zeit gewöhnlich den Investitionszyklus und nehmen sich mehr Zeit, ihre Wertschöpfungsstrategien mit den Portfoliounternehmen auszuspielen. Neue Investitionen können zudem mit einem Abschlag getätigt werden, weil die Unternehmensbewertungen sinken. Das heisst: Auch wirtschaftliche Abschwünge können gute Jahrgänge hervorbringen. 

Wertschöpfung beibehalten

Auswahl für Investitionen gibt es mehr als genug. Die Schweizer Startup-Szene floriert und geniesst Unterstützung von allen Seiten: Der Bundesrat will Arbeitnehmende in Startups mit Firmenbeteiligungen von der Arbeitszeiterfassung befreien. Swisscom will 50 Milliarden Franken Risikokapital für Techfirmen auftreiben. Das wäre doppelt so viel Risikokapital wie heute. Noch stammen über 80 Prozent des Risikokapitals von Investoren ausländischer Herkunft. Ziel ist, dass die Wertschöpfung im Land bleibt. Mit dem Engagement der Pensionskassen könnten auch Frau und Herr Schweizer im Rentenalter von der starken Wertschöpfung auf den Privatmärkten profitieren.