Wahlen 2015: Mit Sozialpolitik auf Stimmenfang

Im Spätsommer wird es heiss. Die Herbstwahlen stehen vor der Tür. Am 18. Oktober wird das Schweizer Parlament neu zusammengesetzt. Die Frage lautet, welche Themen beschäftigt das Volk? Die soziale Sicherheit ist eines davon. Doch jede Partei packt es von einer anderen Seite an.
Rentenerhöhung klingt verlockend
Die Sozialdemokratische Partei (SP) sorgt sich um die Zukunft der AHV und sieht die Renten bedroht. Sie möchte die AHV-Rente erhöhen. Eine Forderung, aus linken Kreisen kommend, die wenig überrascht. Neu hingegen ist: Genau dies schlägt auch die vorberatende Kommission dem «Stöckli» in ihrer leicht abgeänderten Reformvorlage vor. Die Drahtzieher hinter dem Entwurf: Sozialpolitiker Christine Egerszegi, Verena Diener, Urs Schwaller und Felix Gutzwiller – notabene ausschliesslich Bürgerliche. Wie und vor allem warum auch sie – die Vertreter der FDP, CVP, FDP und GLP – die 1. Säule stärken wollen lesen Sie auf Seite 2. Eine Rentenerhöhung ist ein verlockendes Wahlversprechen. In Anbetracht der alternden Wählerschaft, könnte die Rechnung sogar aufgehen. Obwohl der gesunde Menschenverstand gegen Rentenerhöhungen sprechen muss, weil das Umlageverfahren des AHV-Ausgleichsfonds bedingt durch die ungünstige demografische Entwicklung bereits rote Zahlen schreibt.
Klientel: Ältere Arbeitnehmer
Zu den Wahlkampfthemen der SP gehört neben der Rentenreform auch die Verdrängung älterer Arbeitnehmer. Die Themen Migration und Asyl, welche die SVP in den Vordergrund stellt, greift sie nur am Rande auf. Ihre Stellung zur Masseneinwanderungsinitiative: Verzicht auf Kontingente, weil solche mit der Personenfreizügigkeit unvereinbar sind. Die Initiative umsetzen will man mit der Ausschöpfung des Potenzials von Frauen und älteren Arbeitnehmenden im Inland. Somit hat die SP die Demografie verstanden: Rentner und ältere Arbeitnehmer bilden die Mehrheit der Wähler. Für jede dieser Stimmen machen sie ein Wahlgeschenk.
Sozialhilfe als Spielball
Aber auch die Rechte nimmt sich Themen der sozialen Sicherheit vor: Sie will den Missbrauch und die ausufernde Sozialindustrie stoppen – Hilfe für die wirklich Bedürftigen sichern. Dazu hat die SVP ein Positionspapier verfasst. Darin fordert sie als wichtigste Massnahme den Austritt aller Gemeinden und Kantone aus der SKOS und stattdessen eine Einzelfallprüfung bei den Sozialhilfeempfängern. Mehr dazu lesen Sie auf Seite 9. Zudem kritisiert die SVP ganz generell die Berechnung des Grundbedarfs. Davon verspricht sich die Volkspartei sinkende Kosten für Städte und Gemeinden. Der Grundbedarf soll gemäss dem bundesrätlich formulierten absoluten Existenzminimum berechnet werden, ergänzt durch einzelfallbezogene Zusatzleistungen je nach Alter, Familienstand, Vorverdienst, Aufenthaltsdauer in der Schweiz und auch gemäss dem Engagement und Arbeitswillen. Konkret: Für eine erwachsene Person ist der Grundbedarf exklusive Krankenkassenprämie und Wohnungsmiete mit 600 Franken pro Monat gedeckt. Diese Entlastung müsste die Städte und Gemeinden freuen. Aber: Die Städteinitiative Sozialpolitik – der Vereinigung gehören etwa 60 Städte an – beklagt den zunehmenden «Negativwettbewerb» zwischen Gemeinden. Der Städteverband sieht das Problem in der ungenügenden Abstimmung der verschiedenen Sozialversicherungen. Denn wenn sich eine Sozialversicherung auf Kosten einer anderen zu sanieren versucht, sei das keine Lösung, sondern nur eine Lastenverschiebung. Deshalb fordert der Städteverband das Gegenteil, von dem, was die SVP vorschlägt: Minimale Standards bei der Sozialhilfe – sprich bindende SKOS-Richtlinien. So ganz alleine steht die SVP dennoch nicht da. Die FDP fordert, dass die SKOS-Richtlinien als solche zu betrachten sind und nicht bindend sein dürfen. Zudem seien die Probleme der Sozialpolitik im Bereich der Asylpolitik zu suchen, sagen die Freisinnigen. Die Probleme sind erkannt. Doch wie relevant sind sie?
Höchst relevante Fragen
Auf einer Nebenbühne parallel zum Wahlkampf beschliesst die BVG-Kommission den BVG-Mindestzins für 2016. Aktuell liegt er bei 1,75%. Die Rendite des Credit Suisse Schweizer Pensionskasse Index liegt damit im ersten Halbjahr 2,06% unter der BVG-Vorgabe. Und die PK-Experten berechnen per 30. September einen Richtwert für den technischen Zins. Gemäss aktuellen Daten sowie aufgrund der geltenden Formel dürfte der Satz laut Stephan Skaanes, Partner PPCmetrics, von 3 auf 2,75% gesenkt werden, und der Trend geht Richtung 2%. Mit einem technischen Zins in der Gegend von 2% wären wir bei einem Umwandlungssatz von unter 5%. Und damit meilenweit von den bundesrätlichen Wunschvorstellungen entfernt. Das sind brisante Informationen. Für Arbeitnehmer und Arbeitgeber ist höchst relevant zu wissen, wie die Parteien dieses Problem lösen wollen. Susanne Kapfinger