Ultraexpansive Geldpolitik erzwingt Korrekturen
7. September 2016 von Alois Bischofberger*
Wie lange die Notenbanken an der ultraexpansiven Geldpolitik festhalten, lässt sich nicht voraussagen. Das Ende ist aber noch nicht in Sicht und ein späterer Übergang zu einem restriktiveren Pfad dürfte in Trippelschrittchen erfolgen. Denn die Zentralbanken sind Gefangene ihrer zu lange verfolgten Geldpolitik geworden und mit einem kleiner werdenden Handlungsspielraum konfrontiert.
Institutionelle Investoren tun jedenfalls gut daran, nicht mit raschen und deutlichen Zinserhöhungen zu rechnen. Das bedeutet, dass Pensionskassen bei den Obligationenrenditen mit einer sehr langen Durststrecke rechnen müssen. Das ist herausfordernd, weil rund ein Drittel des gesamten PK-Vermögens auf dem Obligationenmarkt investiert ist. Dieser hohe Anteil ist aus Risikoüberlegungen zweckmässig. Realistische Szenarien zeigen aber, dass die durchschnittliche Jahresrendite eines Bundesobligationenportfolios über zehn Jahre nahe bei Null liegt. Durchschnittsrenditen über 1% erscheinen aus heutiger Sicht unwahrscheinlich.
Verschärft wird die Problematik unzureichender Erträge durch die Negativzinsen. Die Vorsorgeeinrichtungen werden deshalb versuchen, die ausbleibenden Anlageerträge bei Anleihen mit dem Eingehen höherer Anlagerisiken zu kompensieren. Diese Strategie stösst an Grenzen. Deshalb sind einschneidende Massnahmen erforderlich, um die PKs vor einer gravierenden Schieflage zu bewahren.
Schrittweise Anpassung der Parameter
Erstens müssen Leistung und Finanzierung über die Senkung des überhöhten technischen Zinses an die harten finanziellen Realitäten angepasst werden. Zudem braucht es eine deutliche Senkung des Mindestumwandlungssatzes und die weitere Reduktion der Umwandlungssätze in umhüllenden Pensionskassen, um die in der 2. Säule systemwidrige und in den letzten Jahren akzentuierte Umverteilung von Jung zu Alt zu vermindern.
Zweitens drängen sich Massnahmen auf, die eine bessere Balance bei der Risikoverteilung zwischen Aktiven und Rentnern bewirken. Letztere tragen zurzeit kein Risiko, erfreuen sich aber vorzüglicher Renditen. Die intergenerationelle Solidarität darf nicht weiter strapaziert werden. Zu den Massnahmen gehören die aktuariell korrekte Festsetzung des Mindestzinses und des Umwandlungssatzes sowie eine Anhebung des Rentenalters. Zu nennen sind ferner die Einführung variabler, von der Ergiebigkeit der Kapitalmärkte abhängiger Rententeile im Überobligatorium und die Nutzung der 1e-Pläne, bei denen die Versicherten das Anlagerisiko tragen.
Drittens darf die im Rahmen der Anpassungen in der Verordnung über die berufliche Vorsorge (BVV2) vorgeschlagene Beschränkung der Wahlmöglichkeiten auf drei Anlagestrategien im überobligatorischen Bereich nicht umgesetzt werden. Sie ist paternalistisch und kontraproduktiv und zeugt von wenig Vertrauen in die Urteilsfähigkeit mündiger Bürger.
Viertens muss die Kommunikation zwischen Vorsorgeeinrichtungen und Versicherten verbessert werden, um angesichts sinkender Altersrenten eine Erosion des Vertrauens in die 2. Säule zu vermeiden.
Es braucht politische Einsicht
Diese anforderungsreichen, aber notwendigen Schritte werden die Vorsorgelandschaft in den kommenden Jahren stark verändern. Wenn politische Einsicht auch im Bereich der sozialen Sicherheit Einzug hält, kann die ultraexpansive Geldpolitik sogar dazu beitragen, dass der aufgestaute Nachholbedarf konsequenter als in einem Normalzinsszenario angepackt wird. Das wäre eines der wenigen positiven Ergebnisse des gefährlichen geldpolitischen Experiments.