Über schlaflose Nächte der Anleger

21. Oktober 2015, von Susanne Kapfinger

Anlegen ist schwieriger geworden: Tiefe Zinsen, veränderte Korrelationen zwischen Anlageklassen und erhöhte Marktvolatilitäten sind Stichworte dazu. Am Schweizer Leadership-Forum diskutierten Finanzexperten, wie Anleger sich unter diesen Vorzeichen verhalten sollen.

Der Status quo: Die grösste Sorge der Pensionskassen ist das tiefe Zinsniveau. Die 10-jährigen Eidgenossen    bescheren ihnen bereits negative Renditen. In der Vergangenheit haben sinkende Zinsen zu Buchgewinnen auf den Obligationenportfolios geführt. Dieser Jubel ist mittlerweile aber verstummt. Die Kehrseite der letzten Jahre ist nun ein Renditeniveau, in dem ein wachsender Teil des Obligationenmarktes negative Verfallsrenditen aufweist. Und dies bei steigender Duration der gängigen Obligationenindizes.

Die Duration ist ein Risikomass und beschreibt die durchschnittliche Kapitalbindungsdauer. Je höher diese ist, umso sensitiver reagiert das Portfolio auf mögliche Zinsänderungen. «In Kombination mit dem hauchdünnen Renditepolster sehen gängige Obligationenindizes wenig attraktiv aus», betont Iwan Deplazes, Leiter Asset Management Zürcher Kantonalbank.

Pensionskassen haben reagiert und in den letzten Jahren ihre technischen Zinssätze  nach unten angepasst. Je tiefer der technische Zinssatz, desto höher werden die Verpflichtungen dargestellt, mit dem Effekt, dass der Deckungsgrad sinkt. Dies hat zur Folge, dass in Zukunft eine tiefere Anlageperformance erzielt werden muss, um das finanzielle Gleichgewicht zu halten.

Und trotzdem ist es schwierig, die Sollrendite zu erreichen. In der Vergangenheit haben Anleger von der Asset-Inflation profitiert, indem Buchwertgewinne gutgeschrieben wurden. Damit  ist Schluss. 2015 war bis jetzt kein gutes Anlagejahr.

Veränderte Zinssensivitäten – veränderte Korrelationen

In den letzten 30 Jahren galt in der Finanzmarkttheorie: Wer weniger Risiko eingehen will, investiert in Bonds. Erlaubt das Risikobudget riskantere Anlagen, kauft man Aktien. Diese Rechnung geht nicht mehr auf. Die Zinsen sind so tief gefallen, dass das Downside-Risiko eines klassischen Obligationenportfolios enorm gestiegen ist. Wenn die Negativzinsen auch noch in fünf Jahren bestehen, ist das Ausdruck eines schwachen Wirtschaftswachstums. Das heisst, dass auch auf der Aktienseite nicht viel zu holen sein wird.

Wie sollen Anleger darauf reagieren? «Dies wird zu einem beschleunigten Umbruch in der Finanzwelt führen», prophezeit Pius Fritschi, Managing Partner LGT Capital Partners. Neben traditionellen Obligationanlagen bieten auch Anlagen, welche schematisch als alternative Anlagen eingeordnet werden, attraktive Renditemöglichkeiten, stimmen die Panel-Teilnehmer überein. Solche Lösungen zeichnen sich durch eine vergleichsweise tiefere Zinssensitivität aus, was durch Kreditrisiko substituiert wird. Kreditrisiken werden vom Markt systematisch entschädigt und die tiefere Zinssensivität reduziert zusätzlich das Verlustpotenzial bei steigenden Zinsen. Prognosen sind in einer Welt, die sehr stark von Nationalbanken getrieben wird, insgesamt schwierig. Deshalb ist es nötig, breit diversifiziert zu sein. Diese Diversifikation muss eine aktive sein, weil sich die Korrelationen zwischen den Anlageklassen stark verändern.

Verfassungsmässig stehen reale Ziele im Vordergrund

Aus nomineller Sicht präsentiert sich ein düsteres Bild: Die Sollrenditen werden nicht erreicht und die Deckungsgrade sinken. Stiftungsräte sehen sich gezwungen, Sanierungsbeiträge zulasten der Arbeitgeber und Arbeitnehmer einzuführen.

Nicht vergessen sollten man als Stiftungsrat das verfassungsmässige, reale Ziel: Die Fortsetzung der gewohnten Lebenshaltung. Bei der Verfolgung realer Ziele ist die heutige Welt viel besser aufgestellt als früher: Vor 30 Jahren haben Rentner innerhalb von zehn Jahren 30% ihrer Kaufkraft verloren. Heute gewinnen sie an Kaufkraft bedingt durch die deflationären Tendenzen und aufgrund des starken Schweizer Frankens. Das heisst: Negativzinsen und starker Franken müssen dem Stiftungsrat nicht per se schlaflose Nächte bereiten. Es kommt darauf an, welche Ziele verfolgt werden. 

* Susanne Kapfinger ist Ökonomin und leitet die Redaktion von AWP Soziale Sicherheit

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