Über Customer Journeys zum Kundenerlebnis

Kunden haben heute unzählige Möglichkeiten, um Interaktionen mit ihrem Versicherer auszugestalten. In eben diesen Austauschsituationen wird das ansonsten kaum greifbare Versicherungsprodukt für Kunden erst erlebbar. Es ist daher für Versicherer von strategischer Relevanz, die Customer Journeys (Berührungspunkte des Kunden mit dem Unternehmen) ihrer Kunden besser zu verstehen und zu beeinflussen. Eine aktuelle Studie zeigt, dass hier ein Umdenken nötig ist.
Die Ausgestaltung der Interaktionspunkte zwischen Kunde und Versicherer von der Bedürfnisrealisation über Vorkauf- beziehungsweise Suchphase, Kauf, Nutzung, bis hin zur Kündigung wird in einer zunehmend digitalisierten Welt wichtiger, aber auch deutlich komplexer. Kunden stehen heute eine Vielzahl von Möglichkeiten offen, um Interaktionen mit Versicherungsunternehmen zu gestalten. Das etablierte Kanaldenken ist hier nicht mehr zielführend.
Um Kunden zufrieden stellen zu können, werden neue Ansätze benötigt. Dies sind die Resultate einer umfassenden, multimethodischen Analyse von Customer Journeys, die vom Institut für Versicherungswirtschaft an der Universität St. Gallen in Zusammenarbeit mit Synpulse erstellt wurde.
Mannigfaltige Profile
Über die 3 000 Befragten in der Schweiz, Deutschland und Österreich und über alle Interaktionen hinweg zeigt sich zunächst, dass Agenturen nach wie vor am häufigsten kontaktiert werden. Daneben lässt sich in der Aggregation erkennen, dass Kunden zunehmend auch digitale Interaktionen, zum Beispiel durch Nutzung von Vergleichs- und Kundenportalen, wahrnehmen. Bei genauerer Betrachtung wird jedoch deutlich, dass Customer Journeys inhärent inhomogen sind, so dass nur in den seltensten Fällen eine der anderen gleicht. Diese Komplexität gilt es für Versicherer bestmöglich abzubilden.
Hierbei ist zentral, dass demographische Merkmale wie Geschlecht, Alter, Bildungsgrad, Einkommen oder Interesse an Versicherungen kaum einen Einfluss auf die Ausgestaltung der Interaktionen haben. Diese Attribute eignen sich also nicht, ähnlich wie beobachtbares Verhalten, um Kunden zu segmentieren.
Stattdessen legt die Studie nahe, dass die Grundeinstellungen von Kunden, die in die vier Gruppen Utilitaristen, Hedonisten, Kostenminimierern und relationalen Typen eingeteilt werden können, eine hohe voraussehbare Qualität haben und gut implementierbar sind.
Informationen in Echtzeit vorhanden
Obwohl die meisten Kunden basierend auf ihrem heutigen Wissen angeben, zukünftig ähnlich interagieren zu wollen, sind einige klare Trends auszumachen. Neben den übergreifenden Entwicklungen Digitalisierung, Individualisierung und Emotionalisierung in der Kundenansprache sind technologische und angebotsseitige Entwicklungen zu beobachten, die Customer Journeys in der Zukunft transformieren können.
Die Implikationen sind schwierig abzuschätzen, insbesondere die Entwicklungsgeschwindigkeit durch in Echtzeit verfügbare Informationen, Blockchain-basierten Versicherungslösungen oder Peer-to-Peer-Versicherungen. Deshalb ist es empfehlenswert diese Trends genau zu beobachten, um je nach Geschäftsmodell frühzeitig proaktiv reagieren zu können.
Kanaldenken hat ausgedient
Um Kunden also zukünftig ein bestmögliches Erlebnis bei der Interaktion mit Versicherern zu bieten, muss eine Transformation weg vom Denken in Kanälen hin zu einem kundenzentrierten Modell stattfinden. Optimalerweise stehen Kunden eine Vielzahl von Interaktionsoptionen offen, und die Wechsel zwischen Interaktionspartnern und -arten sind so einfach wie möglich ausgestaltet.
Dies bedingt unter anderem, dass organisatorische und systemtechnische Vorkehrungen getroffen sind, die es erlauben, dass Informationen an sämtlichen Interaktionspunkten richtig, vollständig und aktuell vorliegen.
Peter Maas, Direktionsmitglied, Institut für
Versicherungswirtschaft der Universität St. Gallen
Details unter:
www.ivw.unisg.ch/de/projekte/customer+journey