Thema Rentenalter: eine Richtigstellung

04. September 2019, von Susanne Kapfinger

In der Vorsorgediskussion gilt das Rentenalter als eine der wichtigsten Schlüsselgrössen. Trotzdem wird der Begriff oft falsch interpretiert oder bedeutsame Aspekte  werden ausgeblendet.

Flexibles Rentenalter ist Realität

Das Rentenalter in der Schweiz ist flexibel. Sowohl die erste als auch die zweite Säule lassen es ohne weiteres zu, Renten aufzuschieben oder diese vorzeitig zu beziehen. Insofern bestimmt das Referenzalter (gesetzliches Rentenalter) nur, auf welches Alter sich die politisch erwünschte Rentenhöhe bezieht.

Diese Flexibilität wird in der Praxis beansprucht: Die Mehrheit der Arbeitnehmer (46,8%) geht früher in Pension als es das ordentliche Rentenalter vorgibt, 8,5 Prozent später. Das durchschnittliche Pensionierungsalter der Männer liegt bei 63,6 Jahren, das der Frauen bei 63,1. Das Referenzalter hat somit keinen direkten Einfluss auf das effektive Rentenalter. Ausschlaggebend ist vielmehr die finanzielle Situation und der Gesundheitszustand: Kann ich mir es leisten aus dem Erwerbsleben auszuscheiden beziehungsweise lässt es meine Gesundheit zu, weiterzuarbeiten?

Mit anderen Worten: Rentenkürzung

Das Referenzalter hat also einen anderen Charakter als das Pensionierungsalter, das jeder für sich frei wählen kann. Klar ist: In der AHV bewirkt die Erhöhung des Referenzalters eine Rentenkürzung. Für die gleiche Rente muss ja länger gearbeitet werden. Das verkleinert die Rentenhöhe bei geplantem Renteneintritt.

Unklar hingegen ist, wie sich das auf das effektive Rentenalter und somit auf das Umlageergebnis der AHV auswirkt. Es wäre naiv davon auszugehen, dass die Erhöhung des Referenzalters um beispielsweise ein Jahr alle Erwerbstätigen veranlasst ein Jahr länger zu arbeiten. Dem ist nicht so, weil die Reaktion auf eine Rentenkürzung je nach Einkommensklasse unterschiedlich ausfällt. Weil: Die Wahrscheinlichkeit, dass Personen mit niedrigem Einkommen länger arbeiten werden ist höher als bei Personen mit höherem Einkommen. Wahrscheinlich wird hier der positive Effekt einer Referenzaltererhöhung auf die AHV-Finanzierung überschätzt.

Liberalen Arbeitsmarkt wahren

Das Referenzalter beinhaltet aber noch andere Aspekte als nur einen finanziellen.  Die Frage lautet, welche arbeitsrechtlichen Konsequenzen sich daraus ergeben: Bietet ein höheres ordentliches Rentenalter einen längeren arbeitsrechtlichen Schutz? Das Arbeitsrecht kennt im Gegensatz zum Sozialversicherungsrecht kein Rentenalter. Somit hat das Erreichen des ordentlichen Rentenalters auch keinen Einfluss auf die arbeitsrechtlichen Gesetzesbestimmun­gen. 

Dagegen hat im Sozialversicherungsrecht das ordentliche Rentenalter grundsätzlich das Ende der obligato­rischen Versicherung und Beitragspflicht in der beruflichen Vorsorge zur Folge. Eine Rentenaltererhöhung bedeutete, dass ein 65-jähriger Mitarbeiter den Arbeitgeber um 9 Lohnprozente teurer käme als bisher. Das beeinträchtigt seine Chancen auf dem Arbeitsmarkt – Fachkräftemangel hin oder her. Die Praxis zeigt, dass manche Unternehmen sogar ein früheres Rentenalter festlegen als das Sozialversicherungsrecht es vorsieht.

Zudem führen unternehmerische Restrukturierungen oft zur Frühpensionierung. Diese erfolgt durch Kündigung des Arbeitsvertrages gegen den Willen des Arbeitnehmers. Es wäre falsch dagegen Massnahmen zu ergreifen: Der liberale Arbeitsmarkt hat wesentlich zum Wohlstand der Schweiz beigetragen. Es wäre aber ebenso falsch, diesen Aspekt in der Rentendiskussion auszublenden. Für ältere Arbeitnehmer ist es vorteilhafter, wenn die Rentenkürzung über eine Senkung der Maximalrente erfolgt anstatt über eine Erhöhung des ordentlichen Rentenalters. Wenn es gesellschaftlich erwünscht ist, ältere Arbeitnehmer im Arbeitsmarkt zu halten, ist hier eine Lösung nötig. Einheitliche Beitragssätze in der beruflichen Vorsorge könnte eine solche sein.

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