Technik gegen Greenwashing
Susanne Kapfinger, Ökonomin und Leiterin Redaktion AWP Soziale Sicherheit
Klimarisiken sind Investitionsrisiken. Das ist inzwischen jedem vernünftigen Menschen klar. Unklar ist, wie Umweltrisiken im Investitionsprozess zu bewerten sind. Das grösste Problem ist die Datenlage. Einerseits gibt es noch zu wenig Daten, andererseits sind sie oft nicht zuverlässig – Stichwort Greenwashing. Die Probleme dürften bald gelöst sein. An der Klimakonferenz COP27 einigte sich die Weltgemeinschaft, dass sich Unternehmen alle klimaschädlichen Emissionen vollständig anrechnen lassen müssen. Sie werden also direkte, indirekte und auch jene aus ihren Lieferketten messen müssen. Der Datenmangel wäre demnach behoben.
Demaskierung von Greenwashing
Das zweite Problem betrifft das Greenwashing, also Strategien mit denen sich Unternehmen oder Staaten wahrheitswidrig als umweltfreundlich darstellen. Die Lösung dafür sind wissenschaftliche Methoden. Sie trennen Wahrheit von Lügen. Es gibt auch einen wissenschaftlichen Ansatz zur Bewertung von Unternehmen hinsichtlich ihres Beitrags und ihrer Exposition gegenüber Umweltzerstörung. Dieser arbeitet mit Satellitenbildern.
Fügt man mehrere Bilder zusammen lassen sich räumliche Nachhaltigkeitsindikatoren erstellen. Die Verbesserung und erhöhte Verfügbarkeit von Erdbeobachtungs- und ergänzenden Geodaten bieten Potenzial für die globale Überwachung von Biodiversitätsverlusten und Wasserrisiken, die durch Unternehmensaktivitäten verursacht werden.
Pioniere der Geodatenverarbeitung
Der Schweizer Pionier auf diesem Gebiet heisst Spatial-Sustainable-Finance. Das Konsortium bestehend aus der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften ZHAW und der Universität Zürich entwickelt Geoverarbeitungs-Workflows, um die räumlichen Fussabdrücke von Unternehmen zu analysieren und zu modellieren. Dabei werden Erdbeobachtungsdaten mit Standorten von Unternehmensanlagen verknüpft und es werden die vom Unternehmen verursachten Risiken für den Biodiversitätsverlust und die Wasserverschlechterung überwacht.
Spin-off des Projekts werden Produkte dazu entwickeln. Beispiel: ein Unternehmensrating zur Quantifizierung von nachweisbaren Umweltbelastungen auf das Vermögen und den Umsatz. Das hilft Anlegern und Unternehmen die von UN PRI und UN EPFI festgelegten Nachhaltigkeitsziele zu erreichen – oder die neuen Vorschriften, die sich aus der EU-Biodiversitätsstrategie für 2030 ergeben. Ähnliche Ziele verfolgen Firmen wie Earth Knowledge, Picterra oder Axedras.
Digitaler Erdzwilling
Earth Knowledge etwa hat einen digitalen Zwilling der Erde erstellt, der globale Veränderungen der Ökosysteme verfolgt und deren Wechselwirkung. Die Plattform enthält Petabytes bis Exabytes an Planetendaten. Für deren Analyse und Simulationen verwendet sie künstliche Intelligenz. Damit können Betriebs-, Lieferketten- und Investitionsrisiken gemessen werden. Zu ihren Kunden gehört etwa Kalifornien: «Wir helfen bei der Bewältigung von Dürre, Waldbrandrisiko und Wasserverlust», sagte Firmenchefin Julia Armstrong D’Agnese am Anlass «Big Data and AI for Sustainable Investing». Geodaten lügen nicht, fügte Frank de Morsier von Picterra bei. Seine Firma überwacht beispielsweise illegalen Holzschlag oder diverse Emissionen.
Mit Geodaten lässt sich auch der CO2-Ausgleich im ESG-Reporting überprüfen, indem beispielsweise Bäume gezählt und ihr Wachstum verfolgt wird. Geodaten können aber auch Impact-Investoren darin überzeugen, dass neue Minen oder Anlagen keine illegale Abholzung oder Wasserverschmutzung verursachen. Diese Firmen verbessern die Klimarisikobewertung, womit sich Portfolios mit risikoadjustierten Renditen erstellen lassen.