Stimmbürger dürfen Reformen nicht verschlafen

von Susan Kapfinger, Chefredaktorin AWP Soziale Sicherheit

Schweizerinnen und Schweizer sorgen sich nach wie vor am meisten um die Altersvorsorge und die steigenden Krankenkassenprämien. Der aktuelle Sorgenbarometer der Credit Suisse offenbart aber noch anderes: Die Sorgen verteilen sich relativ gleichmässig  auf Altersvorsorge, Gesundheit, Ausländer, Klimawandel und Arbeitslosigkeit. Es gibt kein Thema, das bei den Nennungen oben ausschlägt – die Bevölkerung schläft relativ ruhig.

Auffangnetz sorgt für ruhigen Schlaf

Das ist in Anbetracht der Probleme, die im Altersvorsorgesystem gelöst werden müssen, erstaunlich. Die Bevölkerung müsste sich vielmehr um die Altersvorsorge ängstigen: Trotz des Zustupfs aus der Steuervorlage decken die Einnahmen der AHV deren Ausgaben in einigen Jahren nicht mehr. In der beruflichen Vorsorge werden die Einlagen der aktiven Generation zur Zahlung von Renten verwendet. Die steigende Lebenserwartung ist hier zwar nicht der einzige, aber ein wichtiger Grund für diese Entwicklung.Dass die Stimmbürger trotzdem noch ruhig schlafen, liegt vielleicht an dem soliden Auffangnetz: Können Rentner ihre minimalen Lebenskosten nicht decken, besteht ein rechtlicher Anspruch auf Ergänzungsleistungen zur AHV. Zudem sind vom Rentenproblem nicht alle gleich betroffen. Altrentner haben nichts zu befürchten, weil laufende Renten unantastbar sind. Die Zeche zahlen die Jungen. Je länger Reformen aufgeschoben werden, desto härter trifft es sie.

Frischer Wind in der Politik

Es ist die Aufgabe des Parlaments, mutige Schritte zu machen. Die Hoffnung: Ein Drittel der Mitglieder im Nationalrat sind neu gewählt und die Zahl der unter 30-Jährigen hat sich verdoppelt. Diese demografische Verschiebung dürfte nicht ohne Wirkung bleiben. Was der Rat in den kommenden vier Jahren entscheidet, wird in einigen Jahrzehnten Auswirkungen auf diese Generation haben. Die Jungen rechnen heute nicht damit, nach ihrer Pensionierung von der AHV oder der 2. Säule in genügendem Ausmass profitieren zu können. Deshalb wollen die Jungfreisinnigen das Rentenalter bis 2032 schrittweise bis auf 66 Jahre erhöhen und dann die Lebenserwartung koppeln. Andere Jungparteien wie BDP, CVP, EVP, GLP und SVP sind der Idee nicht abgeneigt.

Babyboomer mit ins Boot nehmen

Diese Legislatur könnte ein hoffnungsvoller Aufbruch in eine neue Zeit sein – unter der Voraussetzung die Bürgerinnen und Bürger haben keine Angst vor Veränderungen. Ein Argument gegen die Rentenaltererhöhung ist, dass ältere Arbeitnehmer weniger Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben. Die Überbrückungsrente hat das Potenzial, diese Bedenken aus dem Weg zu räumen. Sie ist für ältere Arbeitslose vorgesehen, die nach dem 60. Altersjahr ausgesteuert werden. Bezüger müssen mindestens 20 Jahre lang in der AHV versichert gewesen sein und mindestens 21 330 Franken pro Jahr verdient haben. Die Vorlage wird am 12. Dezember im Ständerat behandelt.

Die nächste Ausgabe erscheint am 15. Januar 2020. Wir wünschen Ihnen frohe Festtage!

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