Sozialpartnerschaft ist reformbedürftig

31. Oktober 2018, von Christoph Koellreuter, Vizepräsident und Programmleiter Fondation CH2048
Im digitalen Zeitalter verändern sich die Arbeits- und die Erwerbsformen sowie Arbeitsbedingungen fundamental. Will die Schweiz den digitalen Strukturwandel erfolgreich bewältigen, müssen auch die Sozialpartnerschaft und die soziale Sicherheit mehrheitsfähig reformiert werden.
Das traditionelle Modell der langjährigen Vollzeitanstellung wird ergänzt und abgelöst durch neue Erwerbs- und Unternehmensformen, wie zum Beispiel Crowdworking oder Mikrounternehmen, welche durch die klassische Sozialpartnerschaft nicht erfasst werden. Das heisst: Abhängige und selbstständige Erwerbstätigkeiten werden zunehmend parallel und seriell in Erwerbslebensläufen vermischt.
Die Fondation CH2048 hat zusammen mit 16 Partnern Empfehlungen zur Sozialpartnerschaft und Reformideen zur sozialen Sicherheit ausgearbeitet. Da es gelungen ist, Arbeitnehmer- und Arbeitgeberorganisationen sowie namhafte Unternehmen an einen Tisch zu bringen, sind die erarbeiteten Vorschläge mit gros-ser Wahrscheinlichkeit auch politisch mehrheitsfähig. Damit ist die Basis für eine breite Diskussion geschafft.
Nachzahlungen in die AHV
Die neuen Erwerbsformen können dazu führen, dass Erwerbstätige in Bezug auf die Altersvorsorge zwischen Stuhl und Bank fallen. Um das zu verhindern, sind zwei Massnahmen erforderlich: Erstens gilt es bei Beitragslücken in der AHV die Möglichkeiten für Nachzahlungen zu erweitern. Zweitens soll auch bei niedrigen Einkommen Kapital für die berufliche Vorsorge geäufnet werden können.
BVG-Obligatorium für Selbtständige
Weiter schlägt die Fondation CH2048 ein einheitliches oder zumindest vergleichbares Versicherungssystem für selbstständig und unselbstständig erwerbende Personen in der AHV vor. Ebenso ein BVG-Obligatorium für selbstständig Erwerbende.
Zudem sollten grundsätzlich alle Erwerbstätigen gegen Krankheit und Berufsunfall und allenfalls gegen Arbeitslosigkeit versichert sein. Da die neuen Leistungen möglicherweise nicht vollständig durch Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträge finanziert werden können, müssten allfällige Finanzierungslücken bei den Sozialversicherungen gegebenenfalls über eine bestehende oder über eine neue Steuer geschlossen werden.
Wettbewerbsfähige Schweiz
Ermutigend und erfreulich ist, dass diverse Unternehmen sowie Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen in der Schweiz bereits auf den sich durch die Digitalisierung verändernden Arbeitsmarkt reagiert haben.
Mit ihnen zusammen sowie Pensionskassen, Versicherungen und weiteren Experten der sozialen Sicherheit soll die Diskussion weitergeführt werden. In den kommenden ein bis zwei Jahren sollen die Empfehlungen und Reformideen breit diskutiert und gegebenenfalls modifiziert werden. Anschliessend weiter vertieft und konkretisiert und der Politik präsentiert werden.