Sicherheit muss neu definiert werden
20.10.2016 von Markus Fuchs, Geschäftsführer SFAMA
Bei allen Vorsorgeregularien steht die Eingrenzung des Risikos beziehungsweise die Gewährleistung von Sicherheit im Vordergrund. Der Begriff «Sicherheit» wird nicht spezifiziert. Das führt zu unterschiedlichen Auslegungen und Auffassungen. Das Problem: Das Ziel der absoluten Sicherheit kollidiert mit dem Anlagerisiko, das zur Erzielung einer langfristigen höheren Rendite eingegangen wird. Die Maximierung der Sicherheit führt nun dazu, dass heute die geltenden Leistungsziele aber nicht mehr erreicht werden. Die Folge: Leistungen werden auf ein Mass gesenkt, das noch finanzierbar ist, und der verfassungsmässige Auftrag, die Fortführung der gewohnten Lebenshaltung im Rentenalter, wird bald nicht mehr erreicht.
Neudefinition der Sicherheit
Die Verordnung über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVV2) definiert Sicherheit und Risikoverteilung der Anlagen: Die Vorsorgeeinrichtung muss bei der Anlage des Vermögens darauf achten, dass die Sicherheit der Erfüllung der Vorsorgezwecke gewährleistet ist. Zudem muss sie sorgfältig und diversifiziert anlegen. Dies kann als «prudent man rule» (Vorsichtsgrundsatz) ausgelegt werden.
Die Verordnungen und die Praxis haben sich aber zunehmend vom Gesetzestext entfernt, indem der Fokus stark auf die nominelle Sicherheit der Anlagen gelegt wurde. Eine Orientierung an Nominalwerten ist nicht zielführend und für die Sicherheit unserer Vorsorgewerke nicht nachhaltig. Von der «prudent man rule» bleibt durch die zunehmende Verschärfung der Anlagerestriktionen hinsichtlich Risiken, Komplexität und Anlagezulässigkeit nicht mehr viel übrig.
Um die Sicherung der Leistungsverpflichtungen hervorzuheben, müssen Sicherheitsargumente neu definiert werden. Das Gegengewicht zu Risiko- und Kostenüberlegungen muss die explizite Verwendung von erwarteten Renditen bilden.
Zielführende Massnahmen
Die strategische Sicht zum Thema Anlagen wird durch die Fragmentierung der gesetzlichen Grundlagen, Anbieter und Träger der beruflichen Vorsorge erschwert. Die Anlagerichtlinien stehen bei keinem Branchenverband im Vordergrund. Das ist ein Fehler. Die Sicherheit der Leistungserfüllung muss wieder im Fokus stehen. Dazu müssen erwartete Renditen von Anlageprodukten und -strategien explizit formuliert sowie die Wahrscheinlichkeit der Leistungserfüllung mit einer gegebenen Strategie ermittelt und kommuniziert werden.
Dazu können folgende Massnahmen weitgehend ohne Gesetzesänderung umgesetzt werden: Eine Begründungspflicht bei absehbaren Leistungskürzungen, die Abschaffung der heutigen Kategoriebegrenzungen für einzelne Anlagekategorien sowie differenzierte Anlageregeln für die überobligatorische und freiwillige Vorsorge mit höherer Risikofähigkeit. Ebenso ist eine Neudefinition des Sicherheitsbegriffs sowie eine Kompetenzstelle für Anlage- und Bewertungsvorschriften denkbar. Diese Vorschläge helfen bei der öffentlichen Diskussion die Schwächen des heutigen Systems aufzudecken, um Massnahmen für eine renditeorientierte Vorsorge einleiten zu können.
Markus Fuchs, Geschäftsführer der Swiss Funds & Asset Management Association SFAMA