Schlechte Noten für AHV-Reformvorschläge
Der Bundesrat hat mit seinen Vorschlägen zu einer neuen AHV-Reform von den politischen Akteuren kaum Zustimmung geerntet. Sowohl das höhere Rentenalter für Frauen, als auch die vorgeschlagene Erhöhung der Mehrwertsteuer stossen auf Ablehnung.
Der Widerstand gegen das Rentenalter 65 für Frauen konzentriert sich auf das linke Spektrum. Die SP und die Grünen finden die Reformvorschläge inakzeptabel. Die an der Urne bereits abgelehnte Erhöhung des Frauenrentenalters auf 65 sei ein Wagnis, auch weil die Frauen beim Lohn noch immer diskriminiert würden, schrieb die SP.
Die Frauen müssten die Reform "fast allein" bezahlen. Die sozialste Form der AHV-Finanzierung geschehe über Lohnbeiträge, hiess es in einem SP-Communiqué. Deshalb sei die Partei für den Vorschlag des Ständerats zur Steuervorlage 17. Diese sieht eine solche Erhöhung vor.
Die Grünen erhoffen sich von dem Ständerats-Vorschlag eine rasche Stabilisierung der AHV. Damit könne Zeit gewonnen werden um eine langfristige Sanierung und Modernisierung der AHV mehrheitsfähig zu machen.
Auch die Gewerkschaftsseite erwähnt das Konzept der Steuerreform 17 und der Erhöhung der AHV-Lohnbeiträge. Zusammen mit einer Erhöhung der Mehrwertsteuer könne so die AHV "für alle Generationen" gesichert werden, schrieb der Dachverband Travail.Suisse, der bei der Erhöhung der Mehrwertsteuer von einem "Babyboomer-Prozent" spricht.
Der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) bevorzugt höhere Lohnbeiträge. Den Kompromissvorschlag aus dem Ständerat habe der SGB aber noch nicht abschliessend beurteilt, teilte er mit. Ein höheres Rentenalter für Frauen lehnen SGB und Travail.Suisse ab.
Bundesrat riskiert Scheitern
Für die Arbeitgeber hingegen braucht es "strukturelle Massnahmen" wie eine schrittweise Erhöhung des Rentenalters in den kommenden Jahren. In anderen europäischen Ländern sei dies "längst in die Politik eingeflossen", schrieb der Schweizerische Arbeitgeberverband (SAV).
Damit spielt er auf etliche EU-Länder an, in denen das Rentenalter 65 für Mann und Frau schon Realität ist. Zudem haben beispielsweise Deutschland, die Niederlande und Dänemark Projekte zur Erhöhung auf 67 und Irland und Lettland auf 68 Jahre.
Der Bundesrat setze aber weiterhin auf "massive Zusatzfinanzierungen". Damit nehme er sogar eine "starke negative Wirtschaftsentwicklung" in Milliarden-Höhe in Kauf. Auch die privaten Haushalte müssten mehr bezahlen.
Gemäss SAV müsste eine Mittelstandsfamilie wegen der Reform 70 Franken monatlich mehr zahlen, und ein Rentnerpaar hätte durchschnittlich pro Monat 60 Franken weniger. Der Bundesrat riskiere mit seinem Ansatz ein erneutes Scheitern.
"Fair und sinnvoll"
Die Erhöhung der Mehrwertsteuer um 1,5 Prozent stösst auch bei SVP, FDP, CVP und dem Gewerbeverband auf Widerstand. Die SVP fordert stattdessen weitere Bundesgelder zur Sicherung der AHV. Die gute finanzielle Lage der Bundeskasse erlaube dies.
Die FDP will in der Vernehmlassung die Massnahmen einbeziehen, die in der Steuervorlage 17 zur AHV-Finanzierung vorgesehen sind, wie die Partei mitteilte. Auch die CVP setzt auf die Reform der Unternehmensbesteuerung. Diese hätte auch eine "wesentliche Entlastung" der Mehrwertsteuer zur Folge, schrieb die CVP.
Mit der Erhöhung des Frauenrentenalters sind die drei Parteien einverstanden. Für die FDP ist dieser Schritt "fair und sinnvoll". Mittelfristig brauche es aber eine umfassendere Reform, welche die strukturellen Probleme in der ersten und zweiten Säule anpacke.
Die CVP plädiert für eine Angleichung des Rentenalters "in mehreren Schritten". Dafür brauche es auch eine "moderate" Erhöhung der Mehrwertsteuer.
"Kuhhandel" beenden
Die SVP verlangt, dass in der Steuervorlage 17 die Anpassung des Frauenrentenalters 65 eingeflochten wird. Zudem möchte sie steuerliche Vergünstigungen als Anreiz, um über das reguläre Rentenalter hinaus zu arbeiten, schrieb die SVP in ihrer Reaktion.
Die Grünliberale Partei Schweiz (GLP) ist einverstanden mit der Stossrichtung der bundesrätlichen AHV-Reform, auch mit der Zusatzfinanzierung über die Mehrwertsteuer. Nicht einverstanden ist sie gemäss Communiqué mit der Verbindung der Steuervorlage 17 mit der einer AHV-Zusatzfinanzierung über Lohnbeiträge.
Im Nationalrat werde sie deshalb eine Trennung der beiden Vorlagen verlangen, kündigte die GLP an. Der "Kuhhandel" des Ständerats gefährde die vorliegende AHV-Reform. (sda)