Risiken für die 2. Säule

von Manfred Hüsler, Direktor Oberaufsichtskommission Berufliche Vorsorge OAK BV
Die Corona-Krise führt auch bei der Oberaufsichtskommission Berufliche Vorsorge OAK BV zu zahlreichen Anfragen zur Sicherheit der Renten und allgemein zur Stabilität der 2. Säule. Da jedes Vorsorgesystem Altersleistungen in der Zukunft verspricht, ist jedes Vorsorgesystem mit Risiken verbunden. Die Hauptrisiken des Kapitaldeckungsverfahrens der 2. Säule sind die Entwicklung der Lebenserwartung der Rentnerinnen und Rentner sowie die kurz- und langfristigen Risiken der Kapitalmärkte.
Um abzuschätzen, welche zusätzlichen Risken für das System der 2. Säule durch die Corona-Krise entstanden sind, muss als Ausgangslage die finanzielle Lage der Vorsorgeeinrichtungen und die Risikosituation des Systems vor der Krise herangezogen werden. Die Vorsorgeeinrichtungen haben in den vergangenen Jahren in den Anlagekategorien Aktien, Immobilien und Obligationen durch Höherbewertungen überdurchschnittliche Renditen erzielt. Die Deckungsgradsituation per Ende 2019 war gut, die Wertschwankungsreserven konnten auf 65 Prozent des Zielwertes erhöht werden.
Fokus auf Umwandlungssätze
Die zu hohen Umwandlungssätze sind das dominante Risiko in der 2. Säule. Obwohl diese im Überobligatorium laufend gesenkt wurden, sind sie nach wie vor zu hoch. Dies führt zu Finanzierungsrisiken und zu Umverteilung. Hier liegt ein wesentlicher Grund, dass die Wertschwankungsreserven nicht vollständig geäufnet werden konnten. Denn es wurden erhebliche Summen für die Nachfinanzierung der laufenden Renten benötigt.
Das Anlagerisiko blieb in den letzten Jahren relativ stabil. Die Vorsorgeeinrichtungen haben in ihren Anlagestrategien den Aktienanteil und den Immobilienanteil nur leicht erhöht, den Obligationenanteil im Gegenzug etwas gesenkt. Diese Verschiebungen erfolgten aufgrund der tiefen Marktzinsen und damit der tiefer erwarteten Renditen auf Obligationen. Obwohl die Deckungssituation per Ende 2019 gut war, können Einbrüche an den Aktienmärken und Wertverluste bei Obligationen, je nachdem wie stark diese ausfallen, bei einer kleineren oder grösseren Zahl von Vorsorgeeinrichtungen – auch wegen nicht ganz den Zielwerten entsprechenden Wertschwankungsreserven – zu Unterdeckungen führen.
KMU am stärksten betroffen
Die staatlich verordnete Schliessung von verschiedenen wirtschaftlichen Aktivitäten trifft weite Teile der Volkswirtschaft, direkt von der Schliessung betroffen sind vor allem KMU. Sie sind in der 2. Säule hauptsächlich Kunden der Versicherungsgesellschaften oder bei Sammel- und Gemeinschaftseirichtungen angeschlossen. Die Krise wird deshalb vor allem bei diesen Einrichtungen vermehrt zu Rückständen oder Ausfällen bei den Beitragszahlungen führen.
Die Corona-Krise wird eine kürzere oder längere Rezession auslösen. Je nachdem, wie lange die Einschränkungen der Wirtschaft andauern werden und wie stark die Staaten mit Hilfspaketen Linderung verschaffen können. Insolvenzen erhöhen die Ausfallraten bei Obligationen und werden sämtliche Vorsorgeeinrichtungen als Anleger betreffen. Die Märkte haben in den letzten Wochen bereits mit erheblichen Abschlägen bei Anleihen reagiert. Bei den Immobilienpreisen ist ebenfalls mit negativen Konsequenzen zu rechnen.
Kurzfristige Unterdeckung möglich
Ein Kapitaldeckungsverfahren, wie es die 2. Säule kennt, muss mit einer phasenweise sehr hohen Volatilität der Finanzmärkte umgehen können. Vorsorgeeinrichtungen müssen sich als langfristige Investoren verhalten und Ruhe bewahren. Kurzfristige Änderungen der Anlagestrategie oder «Notverkäufe» und damit realisierte Verluste, sind in solchen Situationen meistens schädlich. Nötigenfalls sind auch kurzfristige Unterdeckungen in Kauf zu nehmen. Die Erfahrungen aus der Finanzkrise im Jahre 2008 bestätigen das. Sofern es den Staaten gelingt, die volkswirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Krise zu begrenzen, werden die Vorsorgeeinrichtungen aufgrund der guten Deckungssituation vor der Krise jedoch in der Lage sein, die negativen Auswirkungen der Krise auf ihre finanzielle Stabilität zu tragen.