Radikale Reformideen kommen aufs Tapet

online seit 5. Juni 2019, von Susanne Kapfinger

Es wird ein heisser Sommer werden. Im Oktober finden Parlamentswahlen und im Dezember Bundesratswahlen statt. Die Parteien nehmen beim Thema Altersvorsorge immer extremere Positionen ein. Es sind vor allem die Jungen, die nach radikalen Reformen rufen. Dabei kristalisieren sich drei Tendenzen heraus.

Balanceakt zwischen zwei Säulen

Erstens wird die Gewichtung von 1. und 2. Säule in Frage gestellt. Dies hat verschiedene Gründe. Zum einen erodieren die Renten der beruflichen Vorsorge, weil umhüllende Kassen ihre Umwandlungssätze senken. Diese Renteneinbussen will der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) mit der Stärkung der AHV über die 13. AHV-Rente verhindern. Die Volksinitiative wird im Herbst lanciert.

Für sozialpolitische Anliegen ist die umlagefinanzierte Vorsorge sicher besser geeignet als die kapitalgedeckte. Allerdings stellt sich die Frage nach der langfristigen Finanzierung. Neue Wege gehen wollen die Jungen Grünliberalen. Sie diskutieren, ob Personen mit einem Einkommen und Vermögen oberhalb einer Grenze kein Anrecht auf eine AHV haben sollen. Der Ausschluss einer Gruppe aus der Risikogemeinschaft widerspricht jedoch dem Grundgedanken der AHV.

Die globale Sicht ins Spiel bringen will die Koalition aus Juso, Jungen Grünen, Jeunesse.Suisse und SGB-Jugendkommission. Ihnen sind Pensionskassen, die mit ihren Investitionen den Klimawandel beschleunigen ein Dorn im Auge. Ihre Antwort darauf: Die 1. und 2. Säule sollen zusammengelegt werden.

Im Tiefzinsumfeld könnte dabei ins Feld geführt werden, dass das kapitalgedeckte Vorsorgesystem gegenüber dem umlagefinanzierten System ineffizient sei. Diese Behauptung ist jedoch aus makroökonomischer Sicht Nonsens. Die Anlageportfolios der meisten Pensionskassen sind breit diversifiziert, so dass deren Durchschnittsrendite über dem Lohnwachstum liegt. Damit ist die Effizienzbedingung für die Mehrzahl der Vorsorgeeinrichtungen erfüllt.

Es gibt aber eine Ausnahme: Die Rentnerkassen. Diese sind aus Risikoüberlegungen zum grössten Teil in nominelle Anlagen (Staatsanleihen) und kaum in Realwerte (Aktien, Beteiligungen, Immobilien) investiert. Deshalb gilt bei dieser Gruppe, dass im Tiefzinsumfeld das umlagefinanzierte Vorsorgesystem gegenüber dem kapitalgedeckten überlegen ist.

Streitpunkt Umverteilung

Zweitens: Das BVG enthält noch eine weitere Ineffizienz. Die gesprochenen Leistungsgarantien und Mindestvorgaben führen in volatilen Märkten immer zu Umverteilungseffekten. So hat sich 2018 die Umverteilung von Aktivversicherten zu Rentenbezügern mit 5,1 Milliarden fortgesetzt. Diese Grössenordnung ist substanziell. Viele Jungparteien fordern deshalb diese Umverteilung zu stoppen und rütteln an den Mechanismen, die ihr zugrunde liegen.

Die Jungen Grünliberalen wollen den Mindestumwandlungssatz «entpolitisieren». Stattdessen soll ein Expertengremium die Höhe ermitteln. Dieses variable Rentenmodell macht finanzökonomisch Sinn, weil so zwischen den Generationen der intertemporale Ausgleich von Kapitalmarktrisiken immer noch möglich ist.

Länger arbeiten attraktiver machen

Drittens fühlt sich die junge Generation in der Tendenz heute leistungsfähiger als früher. Sie fordern das Rentenalter in kleinen Schritten generell zu erhöhen: Die Jungfreisinnigen auf 66 Jahre – sie wollen im Sommer eine entsprechende Volksinitiative lancieren – und die Jungen Grünliberalen auf 67. Die Arbeitsmoral steigern soll eine Steuerreduktion auf Arbeitseinkommen nach dem Referenzalter.

Die Frühpensionierungsquoten erzählen noch eine andere Geschichte: Wer es sich finanziell leisten kann, lässt sich frühpensionieren. Fast 40 Prozent der heutigen Rentner zwischen dem gesetzlichen Rentenalter und 70 Jahren gingen in Frühpension. Die vorgeschlagene Steuererleichterung ist daher ein guter Ansatz, um die Altersarbeit aufzuwerten.

Die radikalen Jungen stossen mit ihren Vorschlägen jedoch auf taube Ohren. Bundesrat Alain Berset liess durchblicken, dass er kleine Reformschritte dem grossen Wurf vorzieht. Er wird noch vor den Sommerferien Vorschläge vorlegen.

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