Positive Transformation

Von Susanne Kapfinger, Ökonomin und Leiterin AWP Soziale Sicherheit

Die Pandemie dauert schon zwei Jahre und sie ist nicht vorüber. Die Schweiz steckt seit Sommer in ihrer vierten Welle. Zeit, um Bilanz zu ziehen, und die Folgen einzuordnen. Und unter den vielen negativen Ereignissen, auch positive zu suchen. Corona bleibt grundsätzlich eine Bedrohung für die Gesundheit: Im OECD-Raum hat die Pandemie direkt oder indirekt einen Anstieg der erwarteten Zahl der Todesfälle um rund 16 Prozent verursacht. Die Lebenserwartung sank in 24 von 30 Ländern, für die vergleichbare Daten vorliegen. Dabei liegt das Minus in der Schweiz bei 0,8 Jahren, in Deutschland und Österreich bei 0,3 respektive 0,7 Jahren; in den USA verringerte sich die Lebenserwartung gar um 1,6 Jahre.

 

Erhöhte Krankheitswahrnehmung

Die Pandemie hat sich OECD-weit auch auf die psychische Gesundheit gravierend ausgewirkt. In den meisten Ländern ist die Prävalenz von Angststörungen und Depressionen jetzt mehr als doppelt so hoch wie vor der Pandemie. Besonders betroffen sind junge Menschen sowie Erwachsene, die um ihren Arbeitsplatz fürchten mussten oder ihn verloren haben. Positiv ist, dass die Krise das Thema der psychischen Gesundheit ins Rampenlicht gerückt und eine Diskussion darüber ausgelöst hat, wie sie geschützt und gefördert werden kann. In der Schweiz konnte dadurch im Zuge der IV-Reform ab 2022 die Besserstellung von Menschen mit psychischen Problemen erwirkt werden (mehr dazu auf Seite 11).

 

Prävention ist bedeutungsvoll

Darüber hinaus hat die Pandemie verdeutlicht, wie gravierend sich ein ungesunder Lebensstil auswirkt: Durch Rauchen, übermässigen Alkoholkonsum und Fettleibigkeit steigt das Risiko, an Covid-19 zu sterben. Trotzdem wird nach wie vor vergleichsweise wenig für die Prävention von Krankheiten ausgegeben: Lediglich 2,7 Prozent der Gesundheitsausgaben entfallen durchschnittlich auf diesen Bereich. In der Schweiz und Österreich sind es zwei Prozent, in Deutschland drei. Der Gesundheitsförderung sollte deshalb in Zukunft mehr Bedeutung beigemessen werden. Der Anteil der Personen, die täglich rauchen, ist zwar in den letzten zehn Jahren in den meisten OECD-Ländern zurückgegangen. Er liegt durchschnittlich bei 17 Prozent und in der Schweiz bei 19 Prozent. Dagegen wird Fettleibigkeit immer häufiger: Im OECD-Durchschnitt sind 60 Prozent der Erwachsenen übergewichtig oder fettleibig. Für die Schweiz liegen nur Zahlen vor, die auf Selbstauskunft der Menschen beruhen. Diese Werte fallen üblicherweise niedriger aus. 42 Prozent der Erwachsenen gaben an, übergewichtig oder fettleibig zu sein.

 

Gesundheit erhält mehr Gewicht

Die Pandemie wir£ auch ein Schlaglicht auf den anhaltenden Fachkräftemangel im Gesundheitswesen. Der Mangel an Gesundheits- und Langzeitpflegekräften führt zu stärkeren Beeinträchtigungen als der Mangel an Krankenhausbetten und Ausrüstungen. Diese Erfahrung hat in der Schweiz dazu geführt, dass die Pflegeinitiative ins Rampenlicht gerückt ist und einen milliardenschweren Gegenvorschlag des Parlaments hervorgebracht hat. Beide kommen am 28. November zur Abstimmung. Der Gesundheitsleistungsbereich könnte danach mehr Unterstützung bekommen.

 

Während die Pandemie im Gesundheitsbereich auch Positives bewirkt hat, so gilt das im finanziellen Bereich nicht, wie Sie auf Seite 6 lesen können: Die sozioökonomischen Ungleichheiten haben sich in Folge der Pandemie verschärft. Das mag unter anderem dazu beigetragen haben, dass in der Schweiz der Pessimismus überhand gewonnen hat. Eine Umfrage des Berner Generationenhauses zeigt, dass vor allem bei jüngeren Menschen das vorherrschende Gefühl ist. Die nach 1970 Geborenen finden vorwiegend, dass die Lebensqualität der Eltern besser gewesen sei als die eigene. Stellt sich die Frage, was getan werden muss, um den Pessimismus in Optimismus umzumünzen. Dafür braucht die Schweiz eine Diskussion über die soziale Gerechtigkeit, in der es um Chancengleichheit geht. Weitere Aspekte sind der Klimaschutz und intakte Lebensgrundlagen. Das sind die wichtigsten Herausforderungen.

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