PK-Governance: Offen für Interpretationen
28. Februar 2018, von Susanne Kapfinger
Die 2. Säule hat ein Principal-Agent-Problem. Das Vorsorgekapital wird von den Vorsorgeeinrichtungen als Beauftragte (Agent) treuhänderisch verwaltet. Die Arbeitnehmer als Eigentümer (Principal) haben nur geringe Einflussmöglichkeiten und verfügen nicht über die gleichen Informationen wie die Agents. Diese Informationsasymmetrie bildet die Grundlage für Interessenskonflikte, weil der Agent seinen Wissensvorsprung zu seinen Gunsten nutzen könnte.
Problematische Machtgefüge
Potenzielle Interessenskonflikte entstehen etwa bei der Ausübung von Doppelfunktionen im Zusammenhang mit Tätigkeiten für die Pensionskasse. Beispiel: Ein Stiftungsrat hat die Geschäftsführung zu überwachen. Ist nun dieselbe Person auch noch Geschäftsführer, unterläuft sie das Prinzip der Gewaltentrennung. Dies ist umso stossender, je mehr Entscheidungsmacht sich auf diese Person konzentriert.
Ebenso konfliktgeladen sind substanzielle finanzielle Beteiligungen an Geschäftspartnern der PK oder enge persönliche Beziehungen zu deren Entscheidungsträgern oder Eigentümern.
Vermeiden von Konflikten
Zur Lösung des Problems hat der Gesetzgeber zahlreiche Vorschriften erlassen, die ergänzt durch Selbstregulierungen (u.a. Asip-Charta) die Pensionskassen-Governance bilden. Die Umsetzung der Governance lässt allerdings Raum für Interpretationen.
Erstens sind die genannten Interessensverbindungen nicht per se verboten. Sie sind aber auch nicht explizit zugelassen. Hier wird an die Eigenverantwortung der Branche appelliert, geeignete Massnahmen zu treffen. Zweitens besteht eine Offenlegungspflicht gegenüber dem obersten Organ beziehungsweise gegenüber der Revisionsstelle (Art. 52c Abs. Lit. C BVG). Die konfliktgeladenen Verbindungen sind zudem mit wirksamen Massnahmen aufzulösen. Dazu zählt etwa, dass die Person mit einem potenziellen Interessenskonflikt in den Ausstand tritt, den Entscheid an eine andere Instanz übergibt oder zurücktritt. Nicht erwähnt wird aber, in welcher Frist dies geschehen soll.
Dieser Interpretationsspielraum ist nötig. Denn es macht keinen Sinn Fristen zu setzen. Potenzielle Interessenkonflikte müssen nicht in handfeste Konflikte ausarten.
Des Weiteren leidet die Branche unter einem Nachfolgeproblem. Zwei Faktoren erschweren die Suche nach einer geeigneten Person: Erstens gehen die Babyboomer allmählich in Rente. Zweitens sind bei vielen Stiftungen die Honorare bescheiden bis durchschnittlich. Das macht es zunehmend schwierig, Nachwuchs zu finden.
Oft zögert die Stiftung, eine Führungsperson zu ersetzen, weil sie auf deren Knowhow nicht verzichten kann oder will. Oder das Gefahrenpotenzial wird schlicht unterschätzt.
Misstrauen kann eine Tugend sein
Der Gesetzgeber wird den Raum für Interpretationen solange offen halten, wie die Governance-Qualität stimmt. Diese hat der Stiftungsrat zu sichern. Dazu ist eine «gesunde» Portion an Misstrauen nötig. Geht es um die Beseitigung von Interessenskonflikten, ist das oft eine Gradwanderung zwischen Vertrauen und «gesundem» Misstrauen.
Beispiel: Die Doppelfunktion als Stiftungsrat und Geschäftsführer kann unproblematisch sein, wenn zur Entflechtung wirksame Massnahmen getroffen wurden. Was als wirksam gilt, ist oft Vertrauenssache. Wichtig ist: Wenn innerhalb des obersten Organs Zweifel über die Wirksamkeit aufkommen, muss sofort Alarm geschlagen werden (siehe AWP Soziale Sicherheit Nr. 3).
Regulierungsdichte begrenzen
Eine gute Governance gibt den Versicherten Vertrauen. Nichts schadet der Branche mehr als ein Vertrauensverlust. In der Regel erhöht das die Regulierungsdichte. Die Selbstregulation ist dabei für alle Beteiligten der bessere Weg. Das bedingt aber eine Stiftungs-Kultur, in der kritische Fragen gestellt werden und die Auseinandersetzungen ermöglicht.