Nachhaltige Anlagen: Pensionskassen in der Pflicht oder Kür

7. August 2019, von Sabine Döbeli, Geschäftsleiterin von Swiss Sustainable Finance (SSF)
Der Schweizer Markt nachhaltiger Anlagen – also Anlagen, die Umwelt-, Sozial- und Governance-Faktoren in den Anlageprozess integrieren – wächst rasant. Per Ende 2018 lag das Gesamtvolumen gemäss der jüngsten SSF-Marktstudie bei 716,6 Milliarden Franken und damit 83 Prozent höher als im Vorjahr*. Ein Grossteil dieses Volumens, nämlich 88 Prozent, werden von institutionellen Investoren gehalten, wobei sie diese Assets entweder selber nachhaltig verwalten oder durch Asset Manager verwalten lassen. Sie sind damit klar die Haupttreiber für das starke Wachstum in diesem Bereich. Der Grossteil der Gelder – nämlich 58 Prozent – stammt von Versicherungen, gefolgt von öffentlich-rechtlichen Pensionskassen mit 29 Prozent und privat-rechtlichen Pensionskassen mit 11 Prozent.
In der Verteilung nachhaltiger Anlagen auf die verschiedenen Anlageklassen ergaben sich gegenüber dem Vorjahr einige Änderungen, die sich grösstenteils auf die wichtigere Rolle von institutionellen Anlegern zurückführen lassen. Mit einem Anteil von 24,2 Prozent sind Immobilien jetzt die beliebteste Kategorie für nachhaltige Anlagen in der Schweiz, während sie im Vorjahr auf dem zweiten Platz lagen. Vom ersten auf den zweiten Platz zurückgefallen sind Aktien mit 21,3 Prozent, gefolgt von Unternehmensobligationen mit 19,9 Prozent. Letztere haben sich verdoppelt und sind damit neu auf den dritten Platz vorgestossen.
Rasante Ausweitung des Angebots
Bezüglich der zukünftigen Entwicklung sind sich Asset Owner und Asset Manager einig, dass die Wachstumsraten auch im laufenden Jahr deutlich im zweistelligen Bereich liegen werden. Als wichtigste Treiber für diesen weiteren Aufschwung im Thema sehen die institutionellen Anleger vor allem den Druck von Aufsichtsgremien und Gesetzgeber sowie das vermehrte Interesse von Versicherten am Thema. Umgekehrt werden als wichtigste Barrieren finanzielle Bedenken – nämlich die Angst vor einer Minderperformance und höherer Kosten – genannt, aber auch fehlende Standards.
Die Einschätzung, dass der Druck vom Gesetzgeber wachsen wird, ist nicht aus der Luft gegriffen. Alleine im laufenden Jahr gab es 13 parlamentarische Vorstösse zum Thema, wovon einige auch Pensionskassen zum Ziel haben. Im Moment sind es hierzulande aber noch freiwillige Initiativen, welche für Fortschritt im Thema sorgen. So setzen sich sowohl Verbände wie auch Anbieter für ein besseres Verständnis des Themas nachhaltige Finanzen und die Etablierung entsprechender Praktiken ein.
Im Ausland wird Druck aufgebaut
Anders in der EU: Dort ist es in erster Linie der Gesetzgeber, der das Thema aktiv vorantreibt. Im Rahmen des 10-Punkte-Plans zu nachhaltigen Finanzen hat die EU bereits verschiedene Gesetze angepasst und neue etabliert, die sowohl von Asset Managern wie auch Asset Ownern deutlich mehr Transparenz zu ihren nachhaltigen Anlageprozessen einfordern und sie auch ermutigen, solche Faktoren aktiver zu berücksichtigen. Der EU-Aktionsplan wird sich mit Sicherheit auch auf Schweizer Asset Manager auswirken, zumindest wenn sie ihre Produkte auch in Europa anbieten. Er wirkt zwar nicht direkt auf Schweizer Pensionskassen, sie werden aber indirekt von verbesserter Information und wohl auch einem vertieften Angebot profitieren.
Für institutionelle Anleger wie Pensionskassen und Versicherungen macht es aber trotzdem Sinn, sich aktiv mit dem Thema auseinanderzusetzen, bevor der Gesetzgeber es Ihnen vorschreibt. Dabei liegt es in der Verantwortung der Aufsichtsgremien, eine Strategie festzulegen, die zur eigenen Organisation passt, und auf dieser Basis auch geeignete Partner zu suchen. Das «Handbuch nachhaltige Anlagen» von SSF gibt konkrete Tipps, wie man dabei vorgehen kann. Die Vorteile eines aktiven Vorgehens liegen auf der Hand: man nutzt den heute noch bestehenden Gestaltungsspielraum, kann sich damit auf die Bedürfnisse der Destinatäre und Versicherten ausrichten und profitiert bei geeigneter Umsetzung auch von finanziellen Vorteilen in Form von tieferen Risiken und neuen Anlagechancen.
*Vgl. Schweizer Marktstudie Nachhaltige Anlagen 2019, SSF, Juni 2019