Von Susanne Kapfinger, Redaktionsleiterin AWP Soziale Sicherheit
Die Covid-Krise beeinträchtigt die Wirtschaft nur kurzfristig, die Konsequenzen sind mittelfristig geringfügig. Ab 2025 dürfte das Vorkrisenniveau wieder erreicht sein. Das geht aus den Finanzperspektiven für die Versicherungen hervor, die das Bundesamt für Sozialver-sicherungen vorlegt. Das klingt zuversichtlich. Nur: Die Lohnbeiträge an die AHV, IV, Erwerbsersatzordnung und die berufliche Vorsorge sinken trotzdem.
Rascher Überblick fehlt
Für die AHV bedeutet die Coronavirus-Krise ein schlechteres Umlageergebnis. Für die Versicherten schlechtere Rentenaussichten. Laut Prognose verringert sich das Umlageergebnis der AHV kurzfristig um eine Milliarde Franken bis 2025. Die Unsicherheit über die wirtschaftliche Entwicklung ist allerdings so gross, dass das BSV auf Jahresende eine Aktualisierung ihrer Prognosen in Aussicht stellt. Im Gegensatz zur AHV steht dem einzelnen Versicherten keine Prognose zu seiner Rentenaussicht zur Verfügung. Viele Versicherte wissen nicht, was sie an Rentenleistungen erwarten können. Es ist ohnehin kompliziert, sich rasch einen Überblick über Leistungen aus den drei Vorsorgesäulen zu verschaffen. Das wäre aber die Voraussetzung, um Lücken aufzudecken.
Mehr Transparenz gewünscht
Die Intransparenz ist ein Problem, wie eine Umfrage der Universität St. Gallen zeigt. Die Bevölkerung will ein Info-Portal, das jedem Einzelnen einen Überblick über die Gesamtleistungen aus allen Vorsorge-Säulen ermöglicht. Die Zustimmungsquote dafür beträgt 81 Prozent. Doch nicht nur das: Gewünscht wird ein Aufbau des Portals, der es erlaubt, aktiv in Vorsorgeentscheidungen einzugreifen. Die Anlehnung an die Funktionsweise gängiger Finanzportale ist offensichtlich.
Digitalisierung ist teuer
Eine solche Digitalisierung kostet allerdings Geld. Doch Kosten sind eine über-windbare Hürde wie Beispiele aus dem Ausland zeigen. In Schweden und Österreich existieren bereits solche Portale und in Deutschland liegt ein entspre-chender Gesetzesentwurf vor. Das deutsche Drei-Säulen-System mit der staatli-chen, betrieblichen und privaten Vorsorge ist ähnlich komplex wie das helvetische. Es ist deshalb sinnvoll, sich beim nördlichen Nachbarland inspirieren zu lassen.
20 Millionen für den Aufbau
Das Deutsche Vorhaben: Die Benützer sollen die erreichten und erreich-baren Vorsorgeansprüche online abfragen können. Dieses Ziel soll eine zentrale Stelle erreichen, die als neue Einheit in der deutschen Rentenversicherung - das Pendant zur AHV - angesiedelt wird. Sollte das Par-lament das Gesetz noch in diesem Jahr gutheissen, könnte das Portal Ende 2022 starten. In der Testphase ist die Teilnahme der Pensionskassen und der privaten Vorsorge freiwillig. Danach müssten alle Vorsorgeeinrichtungen Daten an das Portal übermitteln. Die Kosten für den Aufbau der zentralen Stelle und des Portals werden auf rund 20 Millionen Franken geschätzt, der Regelbetrieb soll knapp 5 Millionen Franken kosten.
Die Stimmbürger entscheiden
Mit der Einführung des Info-Portals ist die Hoffnung verbunden, dass sich die Versicherten intensiver mit der eigenen Altersvorsorge auseinandersetzen und womöglich Lücken schliessen. Der Trend zu atypischen Arbeitsformen wie Crowdworking, Jobsharing, bis hin zur Arbeit auf Abruf legt die Vermutung nahe, dass Vorsorgelücken vermehrt vorkommen werden. Es ist deshalb wichtig, den Zugang zu Informationen zu erleichtern. Eine entsprechende Initiative fehlt aber in der Schweiz. Der starke Wunsch nach mehr Transparenz könnte bald neue Initianten hervorrufen, die ein solches Vorhaben vor das Stimmvolk bringen.