Niedrige Löhne sind teuer

Susanne Kapfinger, Ökonomin und Leiterin Redaktion AWP Soziale Sicherheit

Die Inflation hat viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mobilisiert. Sie fordern auf den Strassen Europas höhere Löhne oder bessere Arbeitsbedingungen. Solche Streiks sind kostspielig, für Unternehmen gleichermassen wie für Aktionäre. Der Streik der Gewerkschaft Verdi hat beispielsweise den Flugverkehr in Deutschland grossflächig zum Erliegen gebracht. In diesem Jahr haben erstmals auch Amazon-Beschäftigte gestreikt und Ölkonzerne hatten Absatzeinbussen wegen streikenden Tankstellenpächtern in Italien. Bei den Auseinandersetzungen geht es um faire Löhne, die Einhaltung von Arbeitsrecht, Arbeitskultur, Gesundheitsschutz oder Weiterbildungschancen.   

Forderung nach Fairness

Der soziale Aspekt gewinnt in der Wertschöpfungskette von Unternehmen zunehmend an Bedeutung: Laut Umfragen wird der Ruf nach fairem Gehalt immer lauter, ebenso wie die Forderungen nach Equal Pay. Unternehmen sollten nicht nur auf die absolute Lohnhöhe achten, sondern auch auf die faire Lohnverteilung. Untersuchungen der Universität Zürich (UZH) zeigen: grosse Lohnunterschiede in Unternehmen wirken sich negativ auf das Verhalten der Beschäftigten aus. Das Hauptaugenmerk der Arbeitgeber und Investoren sollte deshalb auf der Lohntransparenz und fairen Lohnverteilung liegen. Hier rückt der Mensch als wichtigster Wertschöpfungsfaktor immer mehr ins Zentrum. 

Neues Buzzword: Resilienz

Nachdem über Jahrzehnte das Letzte an Effizienz aus den globalen Wertschöpfungsketten herausgequetscht wurde, erkennt man allmählich, dass Effizienz nicht alles ist. Denn Unternehmen müssen auf unvorhersehbare Ereignisse reagieren können – resilient sein. In einer von Krisen geprägten Welt, ist die Widerstandsfähigkeit und Krisenresistenz wichtig. In welchem Ausmass Schocks und Krisen aber Einbussen zur Folge haben, ist von der Fähigkeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter abhängig, solche zu bewältigen. Es zeigt sich, dass je heterogener die Belegschaft, desto ausgeprägter ist diese Fähigkeit. Doch um erfolgreich zu sein, braucht es noch mehr. Denn Resilienz ist eine wertfreie Betrachtung und heisst nur, dass man versucht wieder auf die Beine zu kommen. Um für zukünftige Krisen besser gerüstet zu sein, braucht es die «transformative» Resilienz. Diese beinhaltet eine nachhaltige Denkweise aller Mitarbeitenden.

Im ESG-Dreiklang 

Dieser neue Unternehmenstypus ist von der Idee geprägt, dass ökonomische, ökologische und soziale Ziele (ESG) nicht im Konflikt miteinander stehen, sondern sich zum Unternehmensergebnis aufaddieren. Mit den aktuellen Krisen haben sich die Prioritäten innerhalb des ESG-Dreiklangs Umwelt, Soziales und verantwortungsvolle Unternehmensführung verschoben. Ökologie ist zwar aufgrund des weltweit spürbaren Klimawandels das dominierende Thema. Immer wichtiger aus Unternehmersicht ist die Sicherung von sozialen Standards – nicht nur bei den Mitarbeitern, aber auch in Lieferketten. Eindrückliche Beispiele dazu finden sich in der Bekleidungsindustrie: Der Einsturz der Textilfabrik Rana Plaza in Bangladesch zeigte, was passieren kann, wenn soziale Standards, wie Arbeitsschutzmassnahmen, fehlen. Menschen starben und das Renommee der Abnehmer Benetton, Mango und C&A nahmen dauerhaft Schaden. 

Hier hätte sich die Lieferkettenbewertung nach sozialen Aspekten gelohnt. Man käme nämlich zum Schluss, dass aufgrund der fehlenden sozialen Standards die Unternehmensaktien Risiken enthalten, die nicht eingepreist sind. Weitere Bewertungsaspekte können die marktgerechte Entlohnung, Geschlechter- und Diversitäts-Förderung oder das lokale Engagement eines Unternehmens, sein. Kurz: Es lohnt sich die Fairness von Portfolio-Unternehmen gegenüber Kunden, Partnern und Mitarbeitern unter die Lupe zu nehmen. Das S im ESG ist umso bedeutender, je resilienter ein Unternehmen sein muss.

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