Der Schweizer Finanzplatz ist derzeit so gut aufgestellt wie selten zuvor. Davon ist der ehemalige CS- und UBS-Chef Oswald Grübel überzeugt. Es gibt aber noch Handlungsbedarf. Um im Wettkampf der Finanzplätze an der Spitze mithalten zu können, braucht es Deregulierung, so der Banker. Die Kosten für die Regulierung sind zu stark gestiegen und das macht das Geschäft weniger profitabel.
Fintech und tiefe Zinsen setzen zu
Das ist aber nur die halbe Wahrheit. Neue Technologien im Finanzdienstleistungssektor – kurz Fintech – bewirken einen Strukturwandel. Zudem ist das wirtschaftliche Umfeld fast zehn Jahre nach der Finanzkrise immer noch schwierig, sowohl für die Finanz- und die Realwirtschaft als auch für die staatlichen Akteure.
Langanhaltende Tiefzinsen bleiben ein internationales Phänomen und stellen eine Herausforderung für die Banken dar, insbesondere für diejenigen mit einem traditionellen Geschäftsmodell. Die Fristentransformation wird unattraktiver, und die sinkenden Zinsmargen setzen die Profitabilität unter Druck.
Am Finanzstandort Schweiz hält der Konzentrationsprozess unter allen Akteuren unvermindert an. Aktuell haben 266 Institute eine Bankenbewilligung – das sind rund ein Drittel weniger Bankinstitute als noch vor zwanzig Jahren. Dies ist das Ergebnis von Restrukturierungen, Übernahmen und Konkursen.
Im Bereich Assekuranz sind vor allem die Lebensversicherungen betroffen. Hier entstehen die Probleme aufgrund der politisch festgelegten Parameter der 2. Säule (Mindestzins und Mindestumwandlungssatz) in Kombination mit dem aktuell sehr tiefen Zinsniveau. Ende 2015 wurden in der Schweiz noch 214 Versicherer beaufsichtigt – davon mehr als die Hälfte Schadensversicherer.
Kostendruck drängt auf Grösse
Daneben sticht die hohe Anzahl der beaufsichtigten Pensionskassen mit 1 743 (2015) ins Auge und deutet auf Ineffizenzen. Die Vielzahl an Vorsorgeeinrichtungen ist historisch gewachsen, in der Gegenwart aber immer weniger vertretbar. Dafür gibt es mehrere Gründe. Erstens arbeitet der Kostendruck (Regulierung, Technologie) in der Finanzbranche für die Goliaths der Vermögensverwaltung.
Zweitens: Die berufliche Vorsorge an den Arbeitgeber zu binden, ist zu überdenken, weil sich die Arbeitsstrukturen ändern. Die Lebensarbeitsstelle gibt es immer weniger. Zudem wächst die Gruppe der Freelancer/selbständig Erwerbender. Das muss im jetztigen Modell berücksichtigt werden.
Selbstständig Erwerbende zahlen freiwillig in die berufliche Vorsorge. Meist in einem kompetitiven Markt tätig, bleibt wenig Spielraum für hohe Sozialkosten. Oft werden keine Sparbeiträge in die 2. Säule getätigt. Damit erhöht sich das Risiko, später EL beantragen zu müssen. Die berufliche Vorsorge sollte deshalb für alle obligatorisch und unabhängig vom jeweiligen Arbeitgeber organisiert sein. Die freie Pensionskassenwahl schafft Wettbewerb, der zu effizienteren Vorsorgelösungen führt. Die obligatorisch-freie Pensionskassenwahl würde zudem die Ergänzungsleistungen nicht unnötig belasten. Jeder Erwerbstätige hätte dann, analog zur AHV-Nummer, eine Alterssparkonto-Nummer für die 2. Säule.
Susanne Kapfinger
ist Ökonomin und leitet die Redaktion AWP Soziale Sicherheit