von Susanne Kapfinger, Leiterin Redaktion AWP Soziale Sicherheit
Die Menschen in der Schweiz befürchten 2023 finanzielle Einbussen. Das zeigt die Umfrage des Vergleichsportals Comparis. Doch warum erwartet gut jede vierte Person eine Verschlechterung? Die Ängste stehen im Kontrast zu den Verbesserungen im Sozialversicherungsbereich. Ab 2023 werden sämtliche Sozialleistungen der Teuerung angeglichen. Und das Parlament hat auch in Krisen bewiesen, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer auf Hilfe zählen können. Wir haben oft über Kurzarbeitsentschädigungen und andere Notpakete berichtet. Sind die Ängste also unbegründet?
Problem: Prämienverbilligung
Die Befragten begründen ihre Sorgen primär mit dem Prämienanstieg in der obligatorischen Krankenversicherung. Der Anstieg ist mit über 6 Prozent zweifellos gross. Dennoch dürfte es die Sorgen eigentlich gar nicht geben. Denn das System der individuellen Prämienverbilligungen (IPV) ist dazu da, die Prämien sozial abzufedern. Unsere Recherche hat allerdings ergeben: Diese Massnahmen greifen nicht einwandfrei.
Fest steht: Arbeitgeber und Arbeitnehmer haben Krisen bisher gut überstanden. Davon zeugen die historisch niedrige Arbeitslosenquote und wachsende Beschäftigungszahlen. Doch die nächsten Krisen stehen schon vor der Türe. Das Parlament wird die Gesundheitskosten und die Zukunft der 2. Säule im Rentensystem prioritär angehen müssen. Denn der Gesellschafts-Barometer zeigt klar auf: Hier liegen die Probleme. Und nur wer Probleme löst, gewinnt auch das Vertrauen der Wählerinnen und Wähler.
Inflationsspitze wohl überwunden
Der finanzielle Ausblick der Bevölkerung ist getrübt, nicht aber jener der Ökonomen. Der Höhepunkt der Inflation dürfte auch meiner Meinung nach hinter uns liegen. Im Januar kann es zwar zu einer kurzfristigen Rückkehr der Inflation auf 3 Prozent kommen. Anschliessend sollte sie aber spürbar abnehmen und im dritten Quartal 2023 im Zielband der Schweizerischen Nationalbank liegen – bei 0 bis 2 Prozent.
Der Rückgang der Inflation und die konjunkturelle Abkühlung dürfte das Ende des Zinserhöhungszyklus der vergangenen Monate mit sich bringen. Für Pensionskassen und Vermögensverwalter bedeutet das mehr Planungssicherheit als noch im letzten Jahr. Besser abschätzen lässt sich inzwischen auch die Energieversorgungslage. Das sind zweifellos positive Nachrichten. Zudem zeichnet sich eine Normalisierung ab, was die Zinsen betrifft. Das heisst: Eine Rückkehr auf den Nullzinspfad ist eher unwahrscheinlich. Positive Zinsen sind besser als Nullzinsen. Denn Zinsen signalisieren Risiken, indem hohe Zinsen für hohe Risiken stehen und niedrige Zinsen für geringe Risiken. Diese Signalwirkung fehlte in Zeiten der Nullzinspolitik.
Portemonnaies unter Druck
So nachvollziehbar diese Zuversicht aus ökonomischer Perspektive auch ist: Die Sorgenfalten der Bevölkerung sind ebenfalls gerechtfertigt. Denn höhere Zinsen verteuern die Finanzierung eines Hauskaufs. Die steigenden Hypothekar- und Mietkosten belasten die Portemonnaies privater Haushalte. Hinzu kommt, dass sich die realen Einkommen 2023 rückläufig entwickeln. Auch bei den Sozialleistungen liegt real keine Mehrleistung vor.
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