Kontroverse rund um Strukis
Susanne Kapfinger, Ökonomin und Leiterin Redaktion AWP Soziale Sicherheit
Strukturierte Produkte haben ihren Platz in der Welt der Finanzanlagen gefunden, die Kontroverse über Preis, Nutzen und Verständlichkeit aber bleibt. In der Schweiz wiegt der Markt für strukturierte Produkte (Strukis) über 320 Milliarden Franken. So viel beträgt der Jahresumsatz im Durchschnitt der letzten fünf Jahre. Die Jahresumsätze bewegten sich mit einer Ausnahme zwischen 320 und 368 Milliarden. Im Ausnahmejahr 2022 erlitt das Handelsvolumen mit geschätzten 220 Milliarden Franken einen Einbruch, während der Handelsumsatz im Segment für Exchange Traded Funds der Schweizer Börse SIX um 19 Prozent in die Höhe schoss – auf 94 Milliarden Franken. Der Branchenverband für strukturierte Produkte SSPA begründet den Einbruch bei den Strukis mit der Umstellung bei der Berechnung – es werden schärfere Kriterien zur Abgrenzung angewendet. Eine weitere Rolle könnte die Börsenbaisse oder ein Umdenken im Anlegerverhalten gespielt haben.
Für Profis kaum zielführend
Fragt man Pensionskassenberater so spielen Strukis in den Portfolios von Vorsorgeeinrichtungen kaum mehr eine Rolle. Dafür sprechen zahlreiche Gründe. Erstens macht es grundsätzlich kaum Sinn, aus der Sicht eines institutionellen Anlegers eine Investitionsidee via die Bilanz einer Bank zu drehen und sich damit deren Gegenparteirisiko aufzuladen – wenn man dieselben Anlagen auch direkt und in eigenem Namen haben kann. Dieser Meinung sind Berater wie Ueli Mettler, Partner bei C-alm. Zweitens seien die Produkt- und Kostengestaltung bei strukturierten Produkten grundsätzlich schwierig nachvollziehbar.
Kostenaspekt spielt eine Rolle
Fragt man Pensionskassen kommt eine ähnliche Wahrheit zutage. Grosse Kassen investieren nicht in Strukis. Die Natur strukturierter Produkte entspricht nicht ihrer Anlagephilosophie, begründet etwa Davide Pezzetta, Geschäftsleiter der Swisscanto Stiftungen. Die Bernische Pensionskasse BPK hebt den Kostenaspekt hervor: Die BPK verwaltet das Altersvermögen intern, beschränkt sich auf liquide Märkte und pflegt einen mehrheitlich passiven Anlagestil. Deshalb liegen die Vermögensverwaltungskosten bei tiefen 5 Basispunkten. Eine interessante Struktur bildet der Anlagechef, Daniel Klöti, mittels Basiswert und Derivat selber ab.
Ideal für kurzfristige Wetten
Der langfristigen Vermögensperspektive der Pensionskassen mögen Strukis vielleicht nicht gerecht werden. Da für 90 bis 95 Prozent des Portfolioerfolgs die Vermögensallokation verantwortlich ist – also die Zusammensetzung nach Anlageklassen. Anlageinstrumente wie Strukis spielen eine Nebenrolle. Doch nicht alles spricht gegen ihren Einsatz: Sie ermöglichen über die üblichen Nichtlinearitäten und Hebeleffekte kurzfristige Wetten auf Extremereignisse, sind flexibel und können bedürfnisgerecht aufgesetzt werden. Diese Vorteile werden aus der Sicht des Branchenverbands SSPA von Pensionskassen noch wenig genutzt. Obwohl damit die Anlageperformance optimiert und die Risikopositionen an die Eigenschaften von Pensionskassen angepasst werden könnten. Eine Kombination von Strukis als Ergänzung zu Aktien und Obligationen kann dem Anspruch von Kapitalerhalt und stabil laufenden Ausschüttungen gerecht werden.
Zudem sind angesichts der steigenden Konkurrenz und der verstärkten Automatisierung/Digitalisierung die Produktionskosten über die letzten Jahre kontinuierlich gesunken. Davon profitieren laut SSPA insbesondere die Anleger. Dem gegenüber steht das grösste Hindernis, das gegen den Strukis-Einsatz spricht: der schlechte Ruf, der seit der Finanzkrise 2008 anhaftet.