Kein Teich voller «schwarzer Schwäne»

Von Peter Bezak, Ökonom und Anlageexperte bei Zurich Invest AG
Schwäne tragen in der allgemeinen Vorstellung ein weisses Federkleid. Dennoch sind schwarze Schwäne Realität, auch wenn sie in der Natur als eine Ausnahmeerscheinung gelten. Deshalb wird das Bild des Schwarzen Schwans für bestimmte Börsenereignisse verwendet.
Diesen mittlerweile gängigen Begriff der schwarzen Schwäne im Finanzwesen prägte der Finanzmathematiker Nassim Nicholas Taleb in seinem 2007 erschienen Buch «Die Macht höchst unwahrscheinlicher Ereignisse». Darin beschreibt er das Phänomen der schwarzen Schwäne als Metapher für die extremen Auswirkungen höchst unwahrscheinlicher Ereignisse in der Wirtschaft.
In der Finanzwelt treten schwarze Schwäne in den unterschiedlichsten Formen auf. Ein Terroranschlag oder eine Naturkatastrophe kann ebenso ein derartiges Ereignis darstellen wie eine bedeutende Innovation, die völlig neue Wege eröffnet. In jedem Fall stellen sie jedoch eine starke Abweichung von in der Vergangenheit gemachten Erfahrungen dar. Dies führt dazu, dass sie von wahrscheinlichkeits-theoretischen Ansätzen, die auf vergangenen Ereignissen beruhen, nicht erfasst und vorhergesagt werden können.
Schwarze Schwäne treten nicht häufig auf
Gegenwärtig könnte das Gefühl aufkommen, dass Teilnehmerinnern und Teilnehmer an den Aktienmärkten in einem Teich voller «Schwarzer Schwäne» schwimmen. Sie sind Stress-Situationen ausgesetzt, wie es sie lange nicht mehr in dieser Häufigkeit gab. Doch ein Blick in die Vergangenheit stimmt milde: Aktien in der Schweiz generierten in 67 von 97 Jahren eine positive Rendite. Doch welche Ereignisse können als Schwarze Schwan-Ereignisse betrachtet werden? Sie haben per definitionem etwas entgegen den Erwartungen an sich. Und gemeint sind damit nicht Ausreisser ins Positive, sondern ins Negative.
Betrachtet man zum Beispiel die Entwicklung der Aktien in der Schweiz seit 1926, gab es solche schwarzen Börsenjahre mit aussergewöhnlichen Verlusten von mehr als 30 Prozent. Es fallen lediglich 3 von 97 in diese Kategorie. Das war in den Jahren 1931 (nach dem grossen Crash 1929), 1974 (nach Ausbruch der Ölkrise 1973) und 2008 (nach Ausbruch der Finanzkrise). Ähnliche Werte sind auch an anderen Aktienmärkten weltweit festzustellen. Das waren jeweils Schwarze Schwan-Ereignisse und die Realität zeigt uns, dass es sie gibt.
Nur keine Panik
«Schwarze Schwäne» sind zwar selten, dennoch von erheblicher Bedeutung. So verstörend solche plötzlichen Einbrüche sind, sie können nicht vermieden werden. Panik ist in solchen Fällen ein schlechter Ratgeber. Doch können Anleger sich insofern darauf einrichten, als dass sie ihr Portfolio so ausgestalten, um solche Situationen bestmöglich abzufedern zu können, beispielsweise mit Portfoliodiversifikation. Dies gibt dem Investor die notwendige Gelassenheit, solche Situationen durchzustehen.
Ebenso hilft es an der langfristigen Strategie festzuhalten. Die historische Aktienentwicklung in der Schweiz seit 1926 zeigt: selbst nach den schwärzesten Börsenjahren folgte meist die Erholung und Verluste wurden innerhalb weniger Jahre mehr als ausgeglichen. Wer sein Portfolio diversifiziert und mit langem Atem in Aktien investiert, dem muss nichts Schwarzes schwanen.