Individualisierung der Risiken bedingt individualisierte Anlagestrategien

von Roger Baumann*
Der Trend zur Individualisierung in Sammeleinrichtungen ist ungebrochen. Während in den letzten Jahren vor allem die weitreichende Planfreiheit für einzelne Anschlüsse zum Standard geworden ist, wird in einer Phase, in der die Deckungsgrade deutlich über 100% sind, zusätzlich die Individualisierung der Risiken zum Thema. Bei einem gemeinsamen Deckungsgrad von über 100% führt nämlich jeder neue Anschluss, der mit 100% Deckungsgrad eintritt, zu einer Verwässerung. Bei einem Deckungsgrad von 115% bedeutet das für den eintretenden Anschluss konkret eine Aufwertung von 15% zu Lasten der bestehenden Pensionskasse. Wie soll die Pensionskasse dieser Verwässerung begegnen?
Die einfachste Lösung wäre die Vorgabe, dass die eintretende Pensionskasse auch 115% Deckungsgrad einbringt. Solange aber andere Sammeleinrichtungen nur 100% Deckungsgrad verlangen, verhindert diese Massnahme faktisch den Anschluss neuer Vorsorgewerke.
Gegen verwässerte Deckungsgrade
Von dieser Massnahme abgesehen kann eine Verwässerung nur verhindert werden, indem eine Individualisierung erfolgt. Dafür gib es zwei Möglichkeiten:
Variante 1: Der Deckungsgrad ist zwar für alle Anschlüsse gleich, aber es werden Rückstellungen gebildet, die nur von definierten Kollektiven nach objektiven Kriterien zu Leistungsverbesserungen verwendet werden können. Das Bilden dieser Rückstellungen vermindert den Deckungsgrad, was die Verwässerung reduziert, ohne dass die finanzielle Situation deswegen schlechter ist. Gleichzeitig können verschiedene Anschlussjahrgruppen im Verwendungsfall unterschiedlich von diesen Rückstellungen profitieren.
Variante 2: Das häufigere Vorgehen ist eine Individualisierung des Deckungsgrades. Jeder Anschluss oder jede Anschlussjahrgruppe hat einen eigenen Deckungsgrad. Damit ist die Verwässerung beseitigt.
Beide Varianten reduzieren oder lösen das Problem der Verwässerung. Durch die Individualisierung sind die Anschlüsse aber unterschiedlichen Risiken ausgesetzt. Sie haben im Fall einer Teilliquidation eine unterschiedliche Ausgangslage. Sie werden nach einer Börsenkrise ausserdem unterschiedlich zu Sanierungen herangezogen. Bei individuellem Deckungsgrad kann zusätzlich aufgrund unterschiedlicher Versichertenbestände die finanzielle Situation zusätzlich auseinanderlaufen.
Für individuelle Anlagestrategien
Trotz unterschiedlicher Risiken wird aber oft nur eine Anlagestrategie vorgegeben, die für alle Anschlüsse gleich ist. Dies ist problematisch, wenn die Risikosituationen der Anschlüsse unterschiedlich sind. Beispielsweise würde ein Anschluss mit vielen Rentnern nicht die gleich aggressive Anlagestrategie wählen, wie ein Anschluss ohne Rentner, wenn er die Teilliquidationsrisiken und die Sanierungsrisiken individuell tragen muss.
Bei einer Individualisierung der Risiken sind diese folglich zu überwachen. Für die Überwachung der einzelnen risikotragenden Einheiten – das können Anschlüsse oder Anschlussjahrgruppen oder andere Teilkollektive sein, die gemeinsam das Teilliquidations- und das Sanierungsrisiko tragen – ist das oberste Organ der Sammeleinrichtung verantwortlich. Dabei wird für jede einzelne risikotragende Einheit regelmässig geprüft, ob das Anlagerisiko mit der Risikofähigkeit der risikotragenden Einheit verträglich ist. Andernfalls sollten die Anschlüsse informiert werden, dass ihre Anlagerisiken zu hoch sind. Falls die Anlagestrategie von der risikotragenden Einheit bestimmt werden kann, dann sollte diese angehalten werden, vorsichtiger zu investieren. Falls nur eine für alle Anschlüsse einheitliche Anlagestrategie vorgegeben wird, aber die Risiken der risikotragenden Einheiten sehr unterschiedlich werden, dann sollte die Sammeleinrichtung die Anlagestrategien individualisieren, indem sie eine konservative Anlagestrategie für die weniger risikofähigen Anschlüsse ermöglicht. Wer das Risiko trägt, sollte auch darüber entscheiden können.
Risiken trägt nur der Stiftungsrat
Es ist davon auszugehen, dass früher oder später jede Sammeleinrichtung mit unterschiedlichen Deckungsgraden auch unterschiedliche Anlagestrategien zulassen muss. Andernfalls zwingt der Stiftungsrat gewisse Anschlüsse zu überhöhten Risiken, was im Teilliquidationsfall oder im Sanierungsfall gegen ihn verwendet werden kann.
Wenn also eine Sammeleinrichtung den Schritt zu individuellen Deckungsgraden in Erwägung zieht, dann ist auch eine effiziente Umsetzung für individuelle Anlagestrategien und eine Methode zur Überwachung der Risiken einzuplanen. Andernfalls werden individuelle Risiken zum Risiko des Führungsorgans.
* Roger Baumann ist Gründungspartner der C-alm und Leiter der Arbeitsgruppe Risk-Monitoring der Kammer der Pensionskassenexperten.