Goodies für eine Generation der Geprellten
22. August 2018, von Susanne Kapfinger
Die aktuellen Leistungskürzungen im System der 2. Säule prellen eine ganze Generation um ihre Ersparnisse. Das muss nicht sein. Es gibt mindestens zwei Möglichkeiten, die Situation der kommenden Rentnergruppe zu vebessern.
Der Mechanismus: Das BVG ist eine Sozialversicherung, bei der die Kasse Zinsschwankungen quersubventionieren muss, da der BVG-Umwandlungssatz von 6,8 Prozent per Gesetz unabhängig der Zinsen garantiert wird. Ein solcher Umwandlungssatz enthält aber ein Zinsversprechen von rund 4,5 Prozent. Da die effektiven Zinsen aktuell tiefer liegen, wird quersubventioniert. Dies unterscheidet die berufliche Vorsorge im Wesentlichen von der privaten Vorsorge.
Leistungen gemäss Worst-Case
Quersubventioniert wird, indem entweder der umhüllende Umwandlungssatz gesenkt wird. Davon profitieren die niedrigeren Einkommen, weil sie oft kein Überobligatorium haben. Oder man verzinst die Vorsorgekapitalien der Aktivversicherten weniger als die Rentnerkapitalien.
Inzwischen verwenden einige Pensionskassen bereits Umwandlungssätze von 4,5 Prozent oder weniger. Damit wird jedoch ein Zinssatz von weniger als ein Prozent impliziert. Das Problem: Diese Neurentner erhalten Renten, die sich aus einem Worst-Case-Szenario ergeben. Verbessert sich die Zinssituation, finden wir eine Generation vor, die um ihre Ersparnisse mehrfach geprellt wurde.
Erstens mussten sie als Aktivversicherte eine Minderverzinsung ihrer Sparkapitalien hinnehmen. Zweitens zementiert man die aktuell schlechte Zinssituation bis an ihr Lebensende. Das Resultat: Eine Person, die 2020 pensioniert wird, braucht 50 Prozent mehr Kapital, um die gleiche Leistung zu bekommen, wie jemand, der das Glück hatte, vor 2005 in Rente zu gehen.
Das sorgt für Unmut. Denn die finanzielle Lage vieler Pensionskassen verbesserte sich: Laut PK-Studie der Swisscanto erzielten die Vorsorgeeinrichtungen auf der Aktivseite in den letzten zehn Jahren durchschnittlich 4,8 Prozent Rendite pro Jahr. Damit konnten Reserven gebildet werden und die Deckungsgrade haben sich im Durchschnitt auf 114 Prozent verbessert.
Den Rentnern kann zwar ein Bonus gewährt werden, wenn die Kasse geäuffnet ist. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass von dieser Möglichkeit kaum Gebrauch gemacht wird. So wurden etwa in den 90er Jahren die Ertragsüberschüsse teils für Beitragsreduktionen verwendet. Es ist anzunehmen, dass man auch in Zukunft bei hohen Gewinnen eher die Beiträge kürzen wird. Der Grund: Im Stiftungsrat sitzen die Aktiven und die Arbeitgeber.
Beteiligung nicht nach Wohlwollen
Es gibt zwei Wege, um die Geschichte neu zu schreiben und bei Leistungskürzungen für eine höhere Akzeptanz zu sorgen. Erstens, ist ein Automatismus einzuführen, der die Renten erhöht, wenn die Anlagerendite über den Erwartungen liegt. Oder man gewährt Zusatzausschüttungen ab einem bestimmten Deckungsgrad.
So kann es nicht mehr passieren, dass der Stiftungsrat Überschüsse unter sich aufteilt und die Rentner ausnimmt. Der Stiftungsrat würde nicht mehr allein darüber befinden. Er müsste bei der Gewinnverteilung festgelegten Regeln folgen.
Zweitens ist darüber nachzudenken, wie man Rentner in den Stiftungsrat einbeziehen könnte. Rentner sind aktuell nicht im Stiftungsrat. Dies obwohl die Kasse gemäss aktueller Lebenserwartung noch während 20 Jahren ihr Alterskapital treuhänderisch bewirtschaftet. Es ist befremdend, dass sie mit dem Übertritt ins Rentenalter von ihrer Vorsorgeeinrichtung «entmündigt» werden. Die Technik bietet heute Möglichkeiten, Meinungen schnell einzuholen (zum Beispiel über E-Voting).
Mitspracherecht der Rentner
Hier könnte man zu einem rigorosen Umdenken ansetzen. Denn je mehr Mitspracherecht seitens der Rentner gewünscht wäre, desto enger könnten sie auch in die Risikogemeinschaft miteinbezogen werden. Das Prinzip dabei: Wer entscheidet, hat auch die Konsequenzen zu tragen. Sässen die Rentner schliesslich im Entscheidungsgremium, liesse sich auch über eine Flexibilisierung der Garantierente diskutieren.