Gefährliche Strategie in der Rentendebatte

Es ist wohl viel Polit-Taktik mit im Spiel. Der Entwurf zur Altersreform 2020 der Sozialkommission des Nationalrates (SGK) weicht in entschiedenen Punkten von den Beschlüssen des Ständerates ab. Die Strategie ist brandgefährlich. 

Wer zeuselt, läuft Gefahr, sich zu verbrennen, heisst es. Doch die  Sozialkommission des Nationalrates (SGK) kann das Spiel mit dem Feuer nicht lassen. Obwohl es als unwahrscheinlich gilt, dass ein höheres Rentenalter und tiefere Renten eine Volksabstimmung überstehen, läuft der von der SGK vergangenen Freitag präsentierte Vorschlag genau darauf hinaus.

Nun kann man argumentieren, dass hinter dem Entwurf der SGK taktische Gründe stehen. Man habe in der Kommission dafür gesorgt, dass für die Differenzbereinigung im Plenum genug Verhandlungsmasse besteht. Doch selbst wenn diese Sicht zutrifft, die Signale, welche an die Stimmberechtigten geschickt werden, sind falsch. So stossen diese auf Kritik aus allen politischen Lagern. Selbst dem Arbeitgeberpräsident Valentin Vogt gehen die Beschlüsse der Sozialkommission zu weit. «Die Bürgerlichen haben bei ihren Vorschlägen zur Rentenreform übertrieben», sagte er in der Sonntagspresse. Dass die Gewerkschaften und Linke aufschreien würde, war zu erwarten. Und nun liegt es wieder auf dem  Tisch, das Wort «Rentenmassaker». Wetten, es findet seinen Weg in die Köpfe der Stimmberechtigten.

Gegen solche Keulen sind die Beschwichtigungen des Kommissionspräsidenten Ignazio Cassis machtlos. Der Entwurf sei ein «Zwischenergebnis» und die Entscheide seien nur ganz knapp zustande gekommen. Das Resultat der ersten Gesamtentscheidung kam mit 10 zu 7 Stimmen bei 8 Enthaltungen zustande und das zweite mit 10 zu 0 Stimmen bei 15 Enthaltungen. Die SVP enthielt sich bei beiden Abstimmungen, die Linke stimmte bei der ersten Abstimmung dagegen, bei der zweiten enthielt sie sich.  Und so fragt sich auch, wieviel Gewicht Beschlüsse haben, wenn sich derart viele Mitglieder ihrer Stimme enthalten. Und auch, ob solche taktischen Überlegungen das Vertrauen der Stimmbürger nicht eher torpedieren als zur Stärkung beizutragen, weil sie vernünftig und deshalb nachvollziehbar sind.

Rentenalter rauf

Seit Freitag ist das Rentenalter 67 wieder auf der politischen Tagesordnung. Im ersten Schritt soll das Rentenalter der Frauen wie vom Bundesrat vorgeschlagen auf 65 Jahre angehoben werden. 0,6 Mehrwertsteuer-Prozente sollen die AHV zusätzlich stabilisieren. Reicht das nicht aus beziehungsweise sinkt der AHV-Fonds unter 100% einer Jahresausgabe, muss der Bundesrat dem Parlament Korrekturmassnahmen vorschlagen. Werden keine Massnahmen ergriffen oder reichen diese nicht aus, greift ein Automatismus: Fällt der AHV-Fonds unter 80%, wird das Rentenalter automatisch um bis zu zwei Jahre erhöht. Die Mehrwertsteuer würde parallel dazu um 0,4% angehoben.

Gegen AHV-Zuschlag

Den Zuschlag auf AHV-Renten von 70 CHF, den der Ständerat nicht zuletzt aus abstimmungstaktischen Gründen beschlossen hat, wurde von der SGK gestrichen. Damit erübrigt sich der Lohnabzug von 0,3%, der zur Finanzierung des Zuschlags nötig gewesen wäre. Finanziell fällt die von der SGK vorgeschlagene Reform für die AHV ungünstig aus. 2030 läge das Umlageergebnis schon 2,6 Mrd CHF im Minus, der Fonds enthielte noch 99% einer Jahresausgabe. Mit dem Beschluss des Ständerats wären es 111%, trotz des Zuschusses von 70 CHF. (Die Beschlüsse im Detail finden Sie auf Seite 11).

Wie weiter?

Keine Frage, die Schweiz kommt nicht darum herum, das Rentenalter zu erhöhen. Das Ausland macht es vor. Doch die jetztige Reform darf nicht scheitern, nur weil das Paket wegen einzelnen Forderungen keine Mehrheiten findet. Und so fordert der ASIP die Akteure auf, Komrommisse einzugehen, statt Maximalforderungen zu stellen. Ausserdem: Die Stimmbürger werden das «Rentenmassaker» auch am 25. September im Hinterkopf haben, wenn über die AHV-plus-Initiative abgestimmt wird. Diese verlangt einen markanten Ausbau der ersten Säule. Der Entwurf der SGK legt nahe, dass sie die guten Umfrageergebnisse für das Begehren kalt lassen. Dieses Vorgehen ist brandgefährlich. 
Thomas Peterhans

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