Finanzdemografie in Mode

Von Susanne Kapfinger, Ökonomin und Redaktionsleiterin AWP Soziale Sicherheit

Seit Monaten bekämpfen Zentralbanken weltweit die hohe Inflation. Das erfolgversprechendste Mittel in diesem Kampf ist die Straffung der Geldpolitik. Sie ermöglicht es den Währungshütern, die Teuerung zu steuern, heisst es im Lehrbuch. In der Praxis wird das aber zunehmende schwieriger, warnen Finanzdemografen. Sie sind der Ansicht, dass in Zukunft die Demografie die Entwicklung der Inflation und Zinsen massgeblich mitbestimmt.

 

Wie Demografie und Märkte spielen

Finanzdemografen plädieren dafür, den Einfluss der Demografie auf die Märkte stärker zu beachten. Der Gedanke dahinter: Das Alter einer Person verrät viel über ihr Konsum- und Sparverhalten. Während Kinder und Jugendliche ausschliesslich konsumieren, zählen Personen zwischen 50 und 64 zu den grössten Sparern. Später im Rentenalter zehren sie ihre Ersparnisse dann auf. Das bedeutet: Mit der Pensionierung der Babyboomer verändert sich nicht nur die Altersstruktur in der Gesellschaft, sondern auch die Sparneigung – es wird im grossen Stil «entspart». 

 

Die Tragweite dieser Entwicklung verdeutlichen folgende Zahlen: Laut Bundesamt für Statistik werden in der Schweiz 2050 insgesamt 2,7 Millionen Personen ab 65 Jahren leben, während es 2019 nur 1,6 Millionen waren.  Das sind rund 70 Prozent mehr Rentnerinnen und Rentner. Dadurch verschiebt sich das Durchschnittsalter von aktuell 42 Jahren auf 50. Dies passiert nicht nur in der Schweiz, sondern in einem überwiegenden Teil der entwickelten Welt. Die fortschreitende Alterung von Gesellschaften ist in der Menschheitsgeschichte beispiellos. Damit beginnt ein Wandel auf den Kapitalmärkten von einer im Netto sparenden Gesellschaft zu einer unter Umständen «entsparenden» Gesellschaft. Was passiert dann mit den Vermögenspreisen? Das ist insbesondere für Pensionskassen eine wichtige Frage. 

 

Sinkende Vermögenspreise

Wenn die Babybommer ihre Aktien und Immobilien verkaufen, fallen die Vermögenspreise – es wirkt deflationär. Das sagt zumindest das Bauchgefühl. Und was sagen Finanzdemografen? Auskunft geben die Projektteilnehmer von «Financial Demography», ein von der Denkfabrik WDA Forum, der Schweizerischen Nationalbank und der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Basel lanciertes Projekt. Einerseits verringert die Pensionierung der Babyboomer die Ersparnisse, was zu einem Aufwärtsdruck auf die Zinsen führt (deflationäre Wirkung). Andererseits führt die zunehmende Knappheit an Arbeitskräften zu einem Abwärtsdruck auf die Realzinsen (inflationäre Wirkung). Die Auswirkungen sind also nicht eindeutig. Die Forschung dazu steckt aber noch in den Kinderschuhen. 

 

Klar ist, dass durch die Pensionierung der Babyboomer die Aktienmärkte auf verschiedenen Ebenen beeinflusst werden: Dividendenaktien werden stärkder nachgefragt, die Aktienmarktbeteiligung sinkt, Risikoaversion  und Risikoprämien nehmen zu. Das dürfte dazu führen, dass die Anlagerenditen in einer alternden Gesellschaft niedriger ausfallen. Damit steht auch die Nachhaltigkeit der beruflichen Vorsorge auf dem Spiel. Denn Pensionskassen sind auf die Renditen der Anlagemärkte angewiesen. 

 

Umschichtung nötig

Die Forscher lassen uns hier jedoch nicht im Regen stehen, sondern unterstreichen die Bedeutung internationaler Kapitalmobilität. Sie empfehlen: Der Kapitalstock alternder Gesellschaften sollte dort angelegt werden, wo die Kapitalrendite hoch bleibt, also in Ländern mit jüngerer Bevölkerung – sprich Afrika oder Emerging Markets. Die Finanzdemografie kann daher als Chance verstanden werden, den Markt zu schlagen.

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