Ewig leben mit ewiger Rente: Das geht nicht
Vom 23. August 2017, Susanne Kapfinger
Forscher jagen nach dem ewigen Leben und feiern bereits erste Erfolge. Vor diesem Hintergrund sind Rentenmodelle mit einem fixen Renteneintrittsalter überholt, weil keine Versicherung ewig Rente zahlen kann. Das biologische Altern kann verzögert oder gar rückgängig gemacht werden. Das ist seit 2009 bekannt. Die moderne Anti-Aging-Forschung hat dies dank eines Enzyms bewiesen. Seitdem jagt eine Nachricht die andere: Eine Forschungsgruppe hat eine Nährstoffkombination entwickelt, die das Altern hemmt (siehe Seite 9) und Altersforscherin Elizabeth Blackburn sucht nach Wegen, Telomere – das sind die Endteile der Chromosomen, die für das Altern der Zelle zuständig sind – fit zu halten. Bedeutende Rollen spielen dabei die körperliche Bewegung und der Stresspegel.
Bevölkerungsalterung ohne Grenzen
Eine Obergrenze für das maximale Alter des Menschen gibt es nicht, sagen Biologen der McGill-Universität. Das maximale Höchstalter sei niemandem bekannt. So dehnt sich das durchschnittliche Höchstalter immer weiter aus. Vorreiter punkto Bevölkerungsalterung ist Japan. Lag dort das Medianalter 1950 bei 22 Jahren, wird es nach einer Schätzung der Weltgesundheitsorganisation (2014) ein Jahrhundert später bei 57 sein. Heute beträgt das Medianalter fast 47 Jahre, das der Schweiz 42. Diese Entwicklung hängt vom medizinischen Fortschritt, technologischen Neuerungen und Verbesserungen der Lebensumstände ab. Japan gehört wie die Schweiz zu den reichsten Ländern der Welt. Trotzdem stehen die Sozialkassen vor einem Solvenzproblem. Der Anteil der Sozialausgaben am BIP nimmt zu. Am schnellsten wachsen die Kosten, die auf Senioren entfallen. Da sie die einzigen Bevölkerungskohorten stellen, die noch wachsen, ist das allerdings nicht überraschend.
Unterstützende Entwicklungen
Zwei Trends können dieses Problem abschwächen. Erstens, muss die Produktivität gesteigert werden. Japan scheint diese Aufgabe mithilfe ihrer Technologie zu gelingen: Die kontinuierliche Produktivitätssteigerung sorgte für Lohnerhöhungen und Wirtschaftswachstum. Zudem konnten die negativen Auswirkungen einer schrumpfenden Arbeitsbevölkerung ausgeglichen werden. Das ist beachtlich, denn die Arbeitsbevölkerung hat sich im ersten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts um fast 7 Millionen dezimiert. Zweitens werden die negativen Folgen der Alterung abgeschwächt, indem die Bevölkerung nicht nur immer älter, sondern auch immer gesünder älter wird. Ein Index der Weltgesundheitsbehörde misst die Lebenserwartung bei voller Gesundheit (Disability Adjusted Life ExpectancyIndex). Japan führt hier die Weltrangliste mit 74,5 Jahren an. Das ist die Voraussetzung für eine hohe Arbeitsmarktbeteiligung der über 65-jährigen. In Japan liegt sie bei 8% der gesamten Arbeitsbevölkerung, in der Schweiz bei 5,5%. Obwohl viele ältere Japaner aus wirtschaftlichen Gründen noch im Erwerbsleben stehen, tun sie das nicht unbedingt zu ihrem Nachteil oder gegen ihren Willen. Die Glücksforschung hat verschiedentlich gezeigt, dass Beschäftigung im Alter zur Lebenszufriedenheit beiträgt.
Anpassungen werden unumgänglich
Diese beiden Trends reichen aber nicht zur nachhaltigen Sicherstellung der Solvenz. Zusätzlich müssen die Vorsorgesysteme diesen Entwicklungen angepasst werden. Es ist effizienter, das gesetzliche Rentenalter an die Lebenserwartung zu koppeln als von der Politik initiierte Reformen abzuwarten. Noch besser wäre jedoch, das gesetzliche Rentenalter zumindest in der 2. Säule abzuschaffen. Ältere Arbeitnehmer könnten von der Sprengung der Altersbarriere profitieren, indem Arbeitgeber in ihre Weiterbildung zu investieren bereit wären. Die «Altersguillotine» bewirkt, dass sich für 55-jährige Mitarbeiter eine Umschulung kaum lohnt. Da diese Massnahmen in der Altersreform AV2020 nicht enthalten sind, sollten sie im nächsten Reformlauf unbedingt berücksichtigt werden.