Digitalisierung mit harten Bandagen

von Susanne Kapfinger, Ökonomin und Redaktionsleiterin

Der Kunde erwartet, dass er mit seinem Versicherungsunternehmen über verschiedene Kanäle kommunizieren kann. Das kann telefonisch, per Chat, Mail oder im direkten Gespräch sein. Die neue Vielfalt senkt gewisse Kommunikationshürden. Das haben auch Unternehmen erkannt. Viele nutzen aktiv soziale Medien wie etwa Facebook, Xing, Google+, Twitter oder LinkedIn.

Doch das reicht nicht. Zur Digitalisierung der Versicherungsbranche gehört neben Beratung auch der Vertragsabschluss im Internet. Der Direktvertrieb über Onlinekanäle wird weiter zunehmen. Weil: Versicherungen müssen auf Konkurrenten reagieren, die dank stärkerer Digitalisierung über Onlinekanäle günstigere Tarife anbieten oder höhere Gewinne erzielen.

Mehr Kundenzufriedenheit mit Apps

Erstaunlich: Die Versicherungsunternehmen sind im Web noch wenig sichtbar. Dies belegen diverse Studien, wie etwa der Universität St. Gallen (Industrialisierung der Assekuranz in einer digitalen Welt) oder des Beratungsunternehmens CapGemini. Alarmierend: Nur eine Minderheit der Versicherungskunden verbindet die digitalen Kanäle der Versicherer mit einem positiven Erlebnis.

Viele Versicherer sind sich bewusst, dass sie den Kunden auch emotional abholen müssen. Als Differenzierungsinstrument haben einige Versicherer dafür Kundenportale beziehungsweise Apps für sich entdeckt. Und hoffen, durch das mobile Internet die Kundenzufriedenheit zu steigern. So findet man im Netz bereits myAxa, myAllianz, myCSS oder MyHelsana. Diese My-Portale bieten dem Kunden einen Überblick über Dokumente wie zum Beispiel Versicherungspolicen, Prämien- und Leistungsabrechnungen oder Informationen der Zahlungsabwicklung.

Neue Aspekte des Datenschutzes

Mit der Registration auf solchen Kundenportalen verzichtet der Kunde auf diverse Papierdokumente – mit wenigen Ausnahmen (z. Bsp. Auszahlungsscheine). Bei der elektronischen Erfassung persönlicher Daten und dem anschliessenden Datentausch über Apps sind neue Fragestellungen in Bezug auf den Datenschutz entstanden. Welche Datenschutzbestimmungen Versicherer beim Datentausch berücksichtigen müssen, erfahren Sie auf Seite 4.

Aus Sicht der Versicherungsunternehmen steigen am besten so viele Kunden wie möglich auf Kundenportale um. Das spart Geld. Wenn aber der Online-Direktvertrieb und -beratung erfolgreich sind, leiden die Versicherungsbroker. Der Verdrängungskampf ist bereits in Gang und es wird mit zunehmend härteren Bandagen gekämpft. Der aktuelle Streit zwischen Helsana und dem unabhängigen mobilen Versicherungsbroker Knip gibt einen Einblick. Lesen Sie mehr dazu auf Seite 7. Wer im Privatkundengeschäft bei standardisierten Produkten die bessere App hat, gewinnt den Kunden. Finden Akquisition wie Vertragsabwicklung und -management voll elektronisch auf der Internetplattform des Versicherers statt, spart der Versicherer Kosten und verdrängt auch zunehmend Broker vom Markt. Wenn die Versicherungsunternehmen das Tempo der Digitalisierung beibehalten, wird ihnen das gelingen.

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