Demografen fordern Bildung

Von Susanne Kapfinger, Ökonomin und Leiterin AWP Soziale Sicherheit

Die Weltbevölkerung wächst, aber längst nicht überall. Viele Länder verzeichnen einen Bevölkerungsrückgang und sind dadurch mit Herausforderungen wirtschaftlicher, sozialer und strategischer Art konfrontiert: sinkende Wirtschaftskraft, Vergreisung, Machtverlust. Weniger Menschen sind aber nicht zwingend ein Nachteil für ein Land, sagen Forscher des WIC (Wittgenstein Centre for Demography and Global Human Capital). Die Voraussetzung: Das Problem darf nicht nationalistisch angegangen werden.  

 

Phänomen Bevölkerungsschwund

In Westeuropa spricht man schon lange von einem Bevölkerungsschwund: Die Geburtenzahlen sinken seit Jahrzehnten und es sind höhere Sterberaten zu beobachten. Bisher ist dies aber aufgrund der höheren Zuwanderung kaum irgendwo eingetreten. Das trifft insbesondere für die Schweiz zu. Das Land zählt zwei Millionen mehr Einwohner als 1990 und in den nächsten 30 Jahren sollen laut Prognosen weitere zwei Millionen hinzukommen. Ohne Zuwanderung würde die Schweiz hingegen schrumpfen und schneller vergreisen. 

 

Während das Thema Bevölkerungsschwund hierzulande nicht präsent ist, sieht es im östlichen und südöstlichen Europa ganz anders aus. Ungarn oder vor allem Serbien und Bulgarien sind davon stark betroffen. Dort sind nicht nur die Geburtenraten niedrig, auch die Abwanderung ist hoch – vor allem was besser ausgebildete junge Menschen betrifft, wie Untersuchungen des Vienna Institute of Demography zeigen. Bulgarien präsentiert sich als Extrembeispiel: 1990 zählte das Land rund neun Millionen Einwohner, aktuell sind es weniger als sieben Millionen. In den nächsten 20 bis 30 Jahren könnte die Bevölkerung laut Prognosen auf unter fünf Millionen schrumpfen. Ähnliches beobachtet man im Osten Deutschlands oder in Teilen Frankreichs. 

 

Weniger Menschen hat auch Vorteile

Langfristig gesehen ist es aus Sicht der Umwelt erstrebenswert, das Wachstum der Weltbevölkerung abzuflachen, kommen Forscher aus dem World Population Program des Internationalen Instituts für Angewandte Systemanalyse (IIASA) zum Schluss. In Verbindung mit dem Klimawandel zeichne sich schon mal der Trend ab, auf Kinder zu verzichten, um die Umwelt zu schonen. Doch Fragen nach den Grenzen des Bevölkerungswachstums lassen sich schwer beantworten. Denn es ist stark von der Ressourcen- und Technologienutzung abhängig, wie viele Menschen nachhaltig auf der Erde leben können. Zudem lässt sich die Geburtenrate nur schwer über die Familienpolitik beeinflussen. 

 

Mehr Bildung – mehr Output

Einen grossen Einfluss auf die Bevölkerungs- und Wirtschaftsentwicklung hat hingegen die Bildung – das gehört deshalb zum Forschungsschwerpunkt der Demografen in Wien. Sie zeigen zweierlei: Erstens ist ein höherer Bildungsstand in der Bevölkerung mit niedrigeren Geburtenraten verbunden. Zweitens kommt es bei der Wirtschaftsleistung nicht auf die Zahl der Köpfe an. Vielmehr geht es darum, was in den Köpfen drinnen steckt. 

 

Wenn es weniger junge Menschen gibt, die aber besser ausgebildet sind, kann das zum wirtschaftlichen Vorteil werden. Besser ausgebildete Menschen können durch den geschickten Einsatz der Automatisierung eine höhere Produktivität erreichen. Auf dem Arbeitsmarkt enstehen dann zwar weniger, aber im Schnitt qualifiziertere Jobs. Leider investieren nach Ansicht der WIC-Forscher die allermeisten Länder noch immer zu wenig in die Bildung. Anstatt die Geburtenrate möglichst hoch zu halten, sollte man also lieber in die bereits geborenen Menschen investieren. 

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