Aufholjagd beginnen
Susanne Kapfinger, Redaktionsleiterin AWP Soziale Sicherheit
Die verbleibende Lebenserwartung im Alter von 65 Jahren steigt in den OECD-Ländern laut Prognosen im Durchschnitt von 19,8 Jahren im Jahr 2020 auf 22,6 Jahre im Jahr 2050. In der Schweiz liegen die Werte laut Bundesamt für Statistik bei 20,8 und 23,2 Jahren. Deshalb müssen Altersvorsorgesysteme weltweit reformiert werden. Die Vorschläge haben eines gemeinsam: Sie konzentrieren sich auf Beiträge und Leistungen, berücksichtigen jedoch nicht die Bedeutung des dritten Beitragszahlers – die Kapitalmärkte. Das ist ein Fehler, insbesondere in der Schweiz. Denn hier gibt es Verbesserungspotenzial.
Das Wachstum des Vorsorgevermögens tragen drei Pfeiler: Die Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträge sowie die Anlageperformance. Ein Drittel des Wachstums des Vorsorgevermögens in der 2. Säule der letzten zehn Jahre lässt sich laut Swisscanto-Studie auf die Anlageperformance zurückzuführen. Das hört sich nach viel an. Im Vergleich zu ähnlichen Vorsorgesystemen müsste der Beitrag aber höher liegen. Eine McKinsey-Studie belegt, dass Schweizer Pensionskassen ihren niederländischen und kanadischen Pendants in der Performance zwischen 2008 und 2018 jedes Jahr um durchschnittlich 60 bis 115 Basispunkte hinterherhinkten. Dieser risikobereinigte Unterschied in der Vermögensverwaltung ist enorm, wenn man sich vor Augen führt, dass eine zusätzliche Anlagerendite von durchschnittlich 70 Basispunkten die Leistungslücke schliessen könnte. Das heisst: Hiesige Pensionskassen nutzen ihre Risikofähigkeit nicht optimal.
Das hat schwerwiegende Folgen, insbesondere vor dem Hintergrund des veränderten Kapitalmarktumfelds. Die Gesamtrechnung der Sozialversicherungen zeigt dies auf eindrückliche Weise: Der Finanzierungsanteil des dritten Bei-tragszahlers hat sich zwischen 1987 und 2017 halbiert. Der Anteil der Einnahmen aus Zinsen, Dividenden und Kapitalaus-schüttungen an den Gesamteinnahmen der Sozialversicherungen sank von 15,2 auf 10,5 Prozent. Während in den ersten zehn Jahren die Kapitalerträge von 15 auf 18 Prozent gestiegen sind, setzte ab 1999 ein anhaltender Rückgang auf Werte zwischen 11 und 9 Prozent ein. Diese Entwicklung spiegelt Zweierlei. Erstens drückt die Demografie die Realzinsen. Zweitens setzte nach der Finanzkrise 2008 eine anhaltende Tiefzinsphase ein, wodurch die Zinserträge wegbrachen. Aufgefangen wurden die tiefen Zinsen durch wesentlich höhere Beitragszahlungen – insbesondere in der beruflichen Vorsorge. Hier stieg der Beitragssatz seit 2000 von 17 auf 18,7 Prozent des versicherten Lohnes.
Das Problem der Underperformance lösen kann einerseits besseres internes Fachwissen in Bezug auf Anlagestrategien, Research, Vermögensallokation oder Risikomanagement: Je mehr Inhouse gemanagt wird, desto günstiger die Vermögensverwaltungskosten. Andrerseit können Vermögensverwalter aufgrund von Skaleneffekten Hand bieten. Das gilt vorderhand für Pensionskassen mit Vorsorgevolumen von weniger als 500 Millionen Franken. Untersuchungen zeigen, dass kleinere Pensionskassen vermehrt dazu tendieren kostspielige Fund-of-Fund Strukturen zu nutzen. Auch das kostet Performance.