Strukturiertes Wachstum
Susanne Kapfinger, Ökonomin und Leiterin Redaktion AWP Soziale Sicherheit
Die Blockchain-Technologie fasziniert und zieht immer mehr Menschen in ihren Bann. Jede neunte Person in der Schweiz investiert bereits in Kryptoanlagen – das sind rund 11 Prozent der Bevölkerung. In der Gruppe der traditionellen Anlegerinnen und Anleger besitzen gar 18 Prozent Kryptoanlagen, wie eine Umfrage der Hochschule Luzern zeigt. Doch was treibt die Menschen in die Blockchainwelt? Und was heisst das für die Finanzindustrie und Investoren wie Pensionskassen?
Neues Gebührengeschäft
Viele Krypto-Besitzerinnen und -besitzer treibt die Neugierde. Doch je höher die investierten Beträge, desto stärker rückt die Renditefrage in den Vordergrund. Indem Staking möglich ist, ergibt sich das Renditepotenzial von Kryptoanlagen nicht nur aus Wertsteigerungen des Basiswertes. Auch ein Stakingertrag kann die Rendite erhöhen. Das Vermitteln von Stakingbeträgen kostet natürlich etwas und die Gebühren variieren je nach Anbieter. Das Gebührengeschäft lockt zunehmend Banken in die Welt der Blockchain.
Zuletzt hat Postfinance das Angebot um die Funktion Staking erweitert. Die neue Möglichkeit besteht vorerst für die Kryptowährung Ethereum. Doch später sollen weitere folgen. Damit versucht Postfinance den Anschluss an die beliebtesten Plattformen von Frau und Herr Schweizer nicht zu verlieren. Dazu zählen laut HSLU-Umfrage Revolut und Swissquote, erst danach platzieren sich die globalen Anbieterinnen Binance oder Coinbase Exchange.
Die wilden Zeiten sind vorbei
Die ausländischen Börsenbetreiber geniessen derzeit weniger Vertrauen als die heimischen Anbieter von Kauf/Verkauf sowie Staking von Kryptowährungen. Das kann sich aber ändern. Denn Regierungen weltweit erkennen die langfristige Bedeutung von Kryptowährungen und digitalen Vermögenswerten und schaffen regulatorische Klarheit. Das bringt die Kryptoindustrie von einer Ära der Unsicherheit in eine Ära des strukturierten Wachstums.
Ein Beispiel dafür ist die Verurteilung des Binance-Gründers Changpeng Zhao in den USA wegen der Umgehung von Geldwäsche- und Sanktionsgesetzen. Auch Frankreichs Staatsanwaltschaft hat sich Binance vorgeknöpft. Die Ermittlungen betreffen den Zeitraum von 2019 bis 2024 und zielen darauf ab, den Anlegerschutz und die Finanzstabilität zu stärken – Binance ist gemessen am Handelsvolumen weltweit der grösste Handelsplatz dieser Art.
Reale Vermögenswerte im Fokus
Der institutionelle Wandel zur Anerkennung der potenziellen Vorteile tokenisierter Finanzinstrumente betrifft nicht allein Kryptowährungen. Die Tokenisierung gewinnt insgesamt an Dynamik: Die Digitalbörse BX Digital – ein Schwesterunternehmen der Börse BX Swiss – will beispielsweise künftig Aktienkurse von Schweizer Unternehmen direkt auf der Blockchain zugänglich machen. Mit Hilfe von Chainlink soll ein Markt für digitale Vermögenswerte entstehen, der auf der Ethereum-Blockchain-Technologie basiert.
Und die Börsenbetreiberin SIX beteiligt sich an OpenBrick. Die Plattform ermöglicht Emission, Verwaltung, Handel und Abwicklung von tokenisierten Wertpapieren im Immobiliensektor. Sie bietet eine Alternative zur Finanzierung von Immobilienprojekten mit tiefen Eintrittsbarrieren. Ein erstes Projekt lancierte der Immobilienentwickler Alquiler Seguro, der den Kauf und die Vermietung von Wohnungen in der Region Madrid ermöglicht.
Vorteile nutzen
Auch grosse Finanzakteure tokenisieren ihre Dienstleistungen. HSBC hat beispielsweise Orion eingeführt, eine Plattform, die Kunden Zugang zu tokenisierten Einlagen und Gold bietet. Das zeigt: Es ist ein breiter institutioneller Wandel in Gang hin zur Anerkennung der Vorteile tokenisierter Finanzinstrumente. Pensionskassen sollten den Zug nicht verpassen. Die Zeit ist reif, sich eingehend damit zu befassen: Denn wer Vorteile nicht nutzt, ist bereit Nachteile hinzunehmen. Und das ist kaum im Sinne der Destinatäre.